Tegernseer Seilschaften
Fremden sah, wollte es von seiner Mutter auf den Arm genommen werden, was diese unverzüglich tat. Dann forderte sie die beiden Besucher auf, ihr durch die Wohnung nach hinten zu folgen, da ihr Mann auf der Terrasse sitze.
Hundt machte auf Anne einen sympathischen Eindruck. Er studierte gerade die Stellenanzeigen einer Zeitung und stand sofort auf, um die beiden Polizisten mit kräftigem Handschlag zu begrüÃen.
»Wir wollten uns mit Ihnen ein wenig über Herrn Kürschner unterhalten«, erklärte Anne freundlich.
»Ja, da habâ ich jetzt ein richtiges Problem«, entgegnete Hundt. »Es muss ja irgendwie weitergehen bei uns, auch wenn der Herr Kürschner tot ist. Ich brauchâ eine neue Arbeitsstelle. Suchâ gerade.«
Das Gespräch plätscherte dahin, Hundt kam Anne überhaupt nicht wie ein Leibwächter vor, eher wie ein Arzt. Er strahlte nichts Gewalttätiges aus und erzählte in den höchsten Tönen von den Jahren, die er für den Milliardär hatte arbeiten dürfen. Es sei eine Ehre gewesen, und Kürschners unerwarteter Tod sei für ihn persönlich wie beruflich eine Katastrophe.
Nach einer halben Stunde verlieÃen die Polizisten die Hundts und stiegen hinauf zu Alfred Endlkramers Wohnung, in der es stark nach dem Rauch billiger Zigarren roch. AuÃerdem klebten überall, auf dem Sofa, den Stühlen, dem Teppich und den Vorhängen, Haare eines Tiers. Im Lauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass Endlkramer bis vor einem Dreivierteljahr einen Hund gehabt hatte, den er dann aber habe einschläfern lassen müssen, weil er zu alt gewesen sei. »Irgendwann istâs halt leider für jeden aus«, merkte der Gärtner lapidar an.
Auf die Frage, wie oft er am Tegernsee gewesen sei, erwiderte Endlkramer hastig, dass er da eigentlich gar nie hin sei, weil der Kürschner dort ja einen eigenen Gärtner gehabt habe. Er habe zwar immer angeboten, diesen Job auch mitzuerledigen, aber der Kürschner habe das nicht gewollt. Warum, wisse er nicht. Im Ãbrigen halte er den Gärtner vom Tegernsee für einen ausgemachten Deppen, jedenfalls danach zu urteilen, was die Frau Gsell ihm am Telefon immer erzählt habe. Der habe zu völlig unsinnigen Zeiten Pflanzen eingesetzt, die dann natürlich nicht gewachsen seien. Wenn man ein Gärtner sei, müsse man behutsam mit der Natur umgehen, schlieÃlich sei sie ebenso Bestandteil der Schöpfung wie der Mensch. Ob er sehr gläubig sei, wollte Kastner von ihm wissen.
»Ich bin Zeuge Jehovas«, gab der Gärtner freimütig zu. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Wir ermitteln in einer Straftat, die möglicherweise mit dem Tod von Herrn Kürschner zusammenhängt«, antwortete Anne etwas nebulös.
»Ist was weggekommen?«, fragte der Gärtner neugierig, erhielt darauf aber keine Antwort.
Anne blickte sich in der Wohnung um. »Dürften wir uns noch ein bisschen bei Ihnen umsehen?«
»Ja schon«, meinte der braun gebrannte Mann. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich halt noch aufgeräumt.«
Er führte die beiden durch die stickige Zweizimmerwohnung. Sein Schlafzimmer wirkte, als hätte er die Rollläden bereits seit Jahren nicht mehr geöffnet. Der faulige Geruch raubte den beiden Polizisten den Atem. Die Glühbirne der Deckenlampe war kaputt, ein Nachttischlämpchen sorgte für spärliches Licht in dem muffigen Zimmer. Türklinken und Schränke klebten. Anne fand es so eklig, dass sie die Wohnung schnell wieder verlassen wollte, und ging zur Haustür.
Auch Sepp Kastner war schon fast im Hausflur, da fiel ihm noch etwas ein: »Ach, Herr Endlkramer, könnten wir denn noch einen Blick in Ihren Keller werfen?«
»In den Keller?«, fragte Endlkramer und wirkte kurz irritiert. Dann fing er sich aber und folgte mit einem »Ja klar« den Polizisten nach unten. Auf dem Weg warnte er Anne und Kastner allerdings, dass er da unten schon lange nicht mehr gewesen sei.
Der Keller bestand aus einem Raum für die Waschmaschinen und zum Wäscheaufhängen, einem Fahrradkeller und drei separaten Kellerabteilen, die jeweils durch Holzlattenverschläge voneinander getrennt waren. Endlkramers Kellerabteil, dessen Lattentür er mit einem alten Teppich blickdicht verkleidet hatte, war so vollgestopft, dass es ihm zunächst nicht gelang, die nach innen gehende Tür zu
Weitere Kostenlose Bücher