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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichts
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ich mich durch den Tumult, verschwand durch die Tür nach draußen und rannte die Straße hinunter.
    Ich
rannte, so schnell ich nur konnte.
    Rannte,
wie ich noch nie zuvor gerannt war. Ich schnaufte und bekam Seitenstiche, und
Hals und Beine taten mir weh, aber ich rannte immer weiter. Ich wusste nicht,
was ich sagen sollte, damit Pierre Anthon mit mir zum
Sägewerk kommen würde. Ich wusste nur, ich sollte, wollte, musste ihn
mitnehmen.
     
    Pierre Anthon saß auf seinem Ast im Pflaumenbaum und starrte mit
leerem Blick ins Nichts.
    Ich konnte
schon von Weitem seinen blauen Sweater zwischen den
zarten grünen Knospen ausmachen. Ich rannte bis zum Baum, blieb dann abrupt auf
dem Bürgersteig stehen und konnte zunächst kein Wort herausbringen, sondern
hustete und spuckte und schnappte nach Luft. Pierre Anthon blickte erstaunt und amüsiert auf meine Anstrengungen. »Was verschafft mir die
Ehre, Agnes ?« , sagte er freundlich, aber eindeutig mit
einem spöttischen Lächeln im Unterton. Ich kümmerte mich nicht um den Spott.
»Sofie ist verrückt geworden«, stammelte ich, so bald ich genug Luft bekam, um
zu sprechen. »Alle sind völlig durchgedreht. Du musst einfach kommen .«
    Ich hätte
noch mehr sagen wollen, um ihn zu überzeugen, auch wenn ich nicht wusste, was.
Aber Pierre Anthon rutschte wortlos vom Ast, hing
noch einen Augenblick daran und ließ sich dann ins Gras fallen. Er verschwand
auf dem Hof, kam kurz darauf mit seinem alten Herrenfahrrad zum Vorschein und
trat so kräftig in die Pedale, dass ich keine Chance hatte, mitzuhalten.
    Als ich
beim Sägewerk ankam, lag Pierre Anthons altes Fahrrad
am Straßengraben, und Pierre Anthon war nicht zu
sehen. Es war totenstill.
    Ich öffnete vorsichtig die Tür und trat ein.
     
    Mir bot sich ein unheimlicher Anblick.
    Die 7 A stand in einem Halbkreis um Pierre Anthon .
    Nasen waren schief geprügelt, Augenbrauen klafften, Zähne fehlten,
Lippen waren aufgeplatzt und geschwollen, die Augen rot und blau, ein Ohr war
halb abgerissen, und zwei aus der Klasse sahen aus, als könnten sie sich kaum
aufrecht halten.
    Alle waren mit Blut und Sägespänen verschmiert. Aber das war es nicht,
was ich sah. Ich sah blanken Hass. Hass. Mehr Hass. Alle gegen alle.
    Ich zog
die Tür zu und schob mich an der Seite des Sägewerks nach drinnen.
    Pierre Anthon schaute von einem zum anderen. »Ihr seid ein solcher
Haufen Idioten !« , rief er, schüttelte den Kopf und
ging ein Stück vor. »Wenn nichts irgendetwas bedeutet, gibt es nichts, um
darauf wütend zu sein! Und wenn es nichts gibt, um darauf wütend zu sein, gibt
es auch nichts, um sich deshalb zu prügeln !« Er
schaute in die Runde, als wollte er jeden Einzelnen auffordern, ihm zu
widersprechen. »Also was macht ihr denn da ?« Er kickte
in die Sägespäne. Dann sah er in Richtung des Bergs aus Bedeutung und lachte
höhnisch auf. »Prügelt ihr euch wegen diesem Misthaufen ?« Er deutete verächtlich in die Richtung, aber dann blieb sein Blick an irgendetwas
darin hängen, auch wenn sich nicht sagen ließ, woran. Pierre Anthon trat näher und ging langsam einmal um den ganzen
Berg herum. Lange besah er Klein Emils Sarg mit Aschenputtels verrottendem
Körper darauf. Er betrachtete eingehend Aschenputtels Kopf ganz oben auf dem
Berg, ließ dann den Blick vom Teleskop zum Dannebrog wandern, zu dem geschändeten Jesus am Rosenholzkreuz, den Boxhandschuhen, der
Schlange in Formalin, den sechs blauen Zöpfen und
dem neongelben Fahrrad über dem Gebetsteppich und den Krücken bis hin zum toten
Klein Oskar und Jan-Johans erstarrtem Zeigefinger. Dann sah er etwas, was er
nicht verstand. »Was für ein Lappen ist das ?« , fragte
er und deutete auf das karierte Taschentuch.
    »Das ist
die Bedeutung !« , schrie Sofie hysterisch. »Das ist die
Bedeutung !«
    Pierre Anthon sah von ihr zu uns anderen. Ihm schien etwas zu
dämmern.
    »Aha, das ist also die Bedeutung !« , rief er
wütend und packte Sofie. Er hielt sie an den Schultern und schüttelte sie, bis
sie zu schreien aufhörte. »Und deshalb habt ihr sie verkauft ?«
    »Die Bedeutung«, flüsterte Sofie.
    »Die
Bedeutung, ha!« Pierre Anthon lachte höhnisch. »Falls
dieser Misthaufen jemals etwas bedeutet hat, war damit an dem Tag Schluss, als
ihr dafür eine Bezahlung angenommen habt .« Wieder
lachte er. Er ließ Sofie los und sah Gerda an. »Was war der Preis für Klein
Oskar, Gerda? Was?« Gerda antwortete nicht. Errötete nur und sah nach unten.
Pierre Anthon betrachtete die

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