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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichts
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für uns unerreichbar waren. In vergangenen Jahren waren
wir hochgesprungen, um sie zu erwischen. Damit hörten wir auf. Pierre Anthon war von der Schule abgegangen, um im Pflaumenbaum zu
sitzen und mit unreifen Pflaumen zu werfen. Manche trafen uns. Nicht, weil
Pierre Anthon auf uns zielte, das sei die Mühe nicht
wert, beteuerte er. Der Zufall wolle es halt so. Und er rief hinter uns her.
    »Alles ist
egal«, schrie er eines Tages. »Denn alles fängt nur an, um aufzuhören. In
demselben Moment, in dem ihr geboren werdet, fangt ihr an zu sterben. Und so
ist es mit allem .«
    »Die Erde
ist vier Milliarden sechshundert Millionen Jahre alt, aber ihr werdet höchstens
hundert !« , rief er an einem anderen Tag. »Das Leben
ist die Mühe überhaupt nicht wert .« Und er fuhr fort:
    »Das Ganze
ist nichts weiter als ein Spiel, das nur darauf hinausläuft, so zu tun als ob
- und eben genau dabei der Beste zu sein .«
    Es hatte
übrigens bisher nichts daraufhingedeutet , dass Pierre Anthon der klügste von uns war, aber plötzlich
wussten wir es alle. Denn irgendetwas hatte er begriffen. Auch wenn wir uns
nicht trauten, das zuzugeben. Weder unseren Eltern noch den Lehrern oder den
anderen gegenüber. Nicht einmal uns selbst gegenüber. Wir wollten nicht in der
Welt leben, von der uns Pierre Anthon erzählte. Aus
uns sollte etwas werden, wir wollten jemand werden.
    Die
lächelnde Tür nach draußen lockte uns nicht. Gar nicht. Überhaupt nicht!
    Deshalb
kamen wir darauf. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, denn eigentlich
brachte uns Pierre Anthon auf die Idee.
    Es war
eines Morgens, nachdem Sofie zwei harte Pflaumen unmittelbar nacheinander am
Kopf getroffen hatten und sie richtig wütend auf Pierre Anthon geworden war, weil er einfach nur da oben in diesem Baum saß und uns andere
entmutigte.
    »Du sitzt
bloß da und gaffst in die Luft. Ist das vielleicht besser ?« ,
rief sie.
    »Ich gaffe
nicht in die Luft«, antwortete Pierre Anthon ruhig.
»Ich schaue in den Himmel und übe mich darin, nichts zu tun .«
    »Den
Teufel tust du !« , schrie Sofie wütend und warf ein
Stöckchen nach oben in den Pflaumenbaum zu Pierre Anthon ,
aber es landete in der Hecke tief unter ihm.
    Pierre Anthon lachte und rief so laut, dass es bis zur Schule zu
hören war:
    »Wenn es
etwas gibt, über das es sich lohnt sauer zu werden, gibt es auch etwas, worüber
es sich lohnt sich zu freuen. Wenn es etwas gibt, über das es sich lohnt sich
zu freuen, gibt es auch etwas, was etwas bedeutet. Aber das gibt es nicht !« Er hob die Stimme noch mehr und brüllte: »In wenigen
Jahren seid ihr alle tot und vergessen und nichts, also könnt ihr genauso gut
sofort damit anfangen, euch darin zu üben .« Da wurde
uns klar, dass wir Pierre Anthon wieder vom Pflaumenbaum
herunterholen mussten.
     
    3
     
    Ein
Pflaumenbaum hat viele Äste.
    Viele
lange Äste.
    Viel zu
viele, viel zu lange Äste.
     
    Die Schule
von Taering war groß und rechteckig und betongrau
und zwei Stockwerke hoch und an sich sehr hässlich, aber kaum einer von uns
hatte Zeit, darüber nachzudenken, und nun schon gar nicht, wo wir unsere ganze
Zeit brauchten, um nicht über das nachzudenken, was Pierre Anthon sagte. Genau an diesem Dienstagmorgen, acht Tage nach Beginn des neuen
Schuljahrs, war es allerdings so, als träfe uns die Hässlichkeit der Schule
wie eine Handvoll der bitteren Pflaumen Pierre Anthons auf einmal.
    Ich ging
zusammen mit Jan-Iohan und Sofie durch das Tor auf
den Schulhof. Gleich nach uns kamen Marie-Ursula und Gerda, und als wir um die
Ecke bogen und das Gebäude sahen, verstummten wir. Es lässt sich nicht
erklären, aber es war geradeso, als hätte uns Pierre Anthon dazu gebracht, es zu sehen. Als hätte uns das Nichts, das er uns oben aus dem
Pflaumenbaum hinterherrief , auf dem Weg überholt und
wäre zuerst angekommen.
    Die Schule
war so grau und hässlich und eckig, dass es mir fast den Atem verschlug, und es
war plötzlich so, als wäre die Schule das Leben, und so sollte das Leben doch
nicht aussehen, aber das tat es trotzdem. Mich packte ein unbändiger Drang,
zum Taeringvej 25 zu laufen und zu Pierre Anthon in den Pflaumenbaum zu klettern und in den Himmel zu
schauen, bis ich ein Teil von draußen und nichts geworden wäre und nie mehr
über etwas nachdenken müsste. Aber aus mir sollte ja etwas und jemand werden,
deshalb lief ich nirgendwohin, schaute bloß in die andere Richtung, ballte die
Faust und presste die Nägel so fest in die

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