Tender Bar
nicht. Eine halbe Stunde stand ich still da und wartete auf Worte – und die Tränen – doch sie mochten nicht kommen. »Nun ja«, sagte ich und wandte mich zum Gehen, »ich hoffe, du kommst klar, Dad. Ich hoffe, du hast ihn gefunden – deinen Frieden.«
Ich weiß nicht, warum ausgerechnet dieses Wort die Tränen fließen ließ, aber sie kamen wie ein Sturzbach, so plötzlich und heftig, dass ich wie ein Catcher in die Hocke gehen musste. Während ich vor und zurück schaukelte, die Hände vor meinem Gesicht, war mir, als würden diese Tränen nie aufhören, als könnte ich den ganzen Tag bis in die Nacht weiterschluchzen, wenn ich mich nicht zwang aufzuhören. Meine heftige Reaktion war mir peinlich und verstörte mich. »Entschuldige«, sagte ich zu meinem Vater, »dass ich so eine Szene vor deinem-dass ich eine Szene mache.«
Der Wind fegte durch die trockenen Blätter in den Bäumen. Ein Geräusch wie atmosphärische Störungen. Irgendwo in diesem statischen Rauschen ist dein alter Herr. Ich wollte daran glauben. Ich wollte die Stimme meines Vaters hören, sie sollte mir etwas sagen – aber was? Dass es ihm leid tat? Dass er mich verstand? Dass er stolz auf mich war? Dass es normal war, wegen seines Vaters traurig zu sein? Dass es uns allen so geht, und dass diese Traurigkeit zu der harten Arbeit gehört, die nötig ist, um seine Stellung als Mann zu finden? Es war reines Wunschdenken, solche Dinge zu hören, seine Stimme zu hören, und dennoch, als ich den Friedhof verließ, gewährte ich mir diesen letzten Wunsch.
Ich verabschiedete mich von den Männern aus dem Publicans. In vielerlei Hinsicht fiel mir der Abschied diesmal schwerer als vor einigen Jahren. Wann kommst du wieder? fragten sie.
Vorläufig erst mal nicht, sagte ich traurig.
Nicht dass du diesmal ganz verschwindest, erwiderten sie.
Mach ich nicht, versicherte ich. Ganz bestimmt nicht.
Ich versprach meinen Redakteuren die Manhasset-Geschichte bis zum Ende der Woche. Bevor ich sie abschickte, musste ich nur noch eines erledigen. Ein letztes Interview. Ein Mann aus Manhasset namens Roko Camaj hatte als Fensterputzer im World Trade Center gearbeitet, als die Flugzeuge hineinflogen. Sein dreiundzwanzigjähriger Sohn Vincent wohnte immer noch in Manhasset. Unmittelbar hinter St. Mary’s.
Ich rief ihn an und sagte, ich würde über meine Heimatstadt schreiben und wie sie sich verändert hatte.
Er wollte nicht reden. Man hatte schon genug über seinen Vater geschrieben, sagte er, und die meisten Reporter hätten Fehler gemacht. Selbst den Familiennamen hatten sie falsch geschrieben. Ich versprach, zumindest das richtig hinzukriegen. Ich beschwor ihn, sich mit mir zu treffen. Er seufzte.
»Gut«, sagte er. »Und wo?«
Ich nannte ein paar Restaurants in Port Washington. Ich schlug Louie the Greek’s vor. Ich erwähnte ein paar Treffpunkte in der näheren und weiteren Umgebung seines Hauses. Er schwieg. Ich schwieg. Schließlich sagte er: »Es gibt eine Bar, in die meine Freunde und ich gern gehen.«
»Wo ist die?«
»Wissen Sie noch, wo früher das Publicans war?«
DANK
Wie der Autor, wurde auch dieses Buch diverse Male durch eine Vielzahl unglaublicher Menschen gerettet.
An erster Stelle Roger und Sloan Barnett. Ihre Liebe und Großmut am Anfang war absolut ausschlaggebend. Als das Buch noch eine ungeformte Idee war, stellten sie mich Mon Janklow vor, einem Erzengel der Literaturagenten, der die Geschichte, die ich erzählen wollte, sofort verstand. Er nahm sich meiner an, inspirierte mich – und befahl mir, ein Exposé zu schreiben. Darüber hinaus sagte er mir auch noch, wie ich es zu machen hatte. Ich stehe für immer in seiner Schuld.
Mon Janklow war es auch, der mich zu Jeff und Tracy Smith schickte, die Nick und Noras von Watermill. Sie schnitten mir Zeilen aus Somerset Maugham aus, die ich mir über meinen Computer pinnen sollte, und sie ließen mich meinen Computer in ihr leeres Teichhaus stellen, wo ich eine Rohfassung schrieb und ihren gefrorenen Teich auftauen sah.
Während meines Aufenthalts am Teich erledigte ich einen Großteil der Recherche, besuchte Manhasset unzählige Male und interviewte Leute, die in diesem Buch auftauchen. Mein Dank geht an Bob the Cop, Cager, Colt, Dalton, DePietro, Don, Georgette, Joey D und Michelle. Sie und viele andere aus dem Publicans opferten Stunden, uni meine Erinnerungen zu bestätigen oder zu korrigieren und mir beim Zusammensetzen lange zurückliegender
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