Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
hatte ihn aus einem dämmrigen Minutenschlaf gerissen. Mit brennenden Augen starrte er auf die verdreckte Uniform von Marechal Agakawa, der sich taumelnd in den Sessel vor ihm fallen ließ und sich gestattete, für einen kleinen Moment die Augen zu schließen. Doch ehe auch er wegdämmern konnte, riss er sie wieder auf, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und den stoppeligen Dreitagebart und bemühte sich, so etwas wie Haltung zu bewahren.
Antoine Farkas war das herzlich egal.
Marechal Agakawa und seine sieben Soldaten waren der klägliche Rest der bescheidenen Streitkräfte Arbedians, alles, was nach der erfolgreichen Invasion des Feindes vor einigen Tagen von den Verteidigern übrig geblieben war. Das erste, was er von den Invasoren gesehen hatte, nachdem die Malu sich offensichtlich in ihrem sinnlosen Bemühen, ein einzelnes Feindschiff aufzuhalten, selbst zerstört hatte, war die gigantische Flotte, die sich dem Orbit Arbedians näherte. Die Übertragung von der Orbitalstation war bald abgebrochen, als Direktor Lüthannes in einer ebenso nutzlosen wie trotzigen Geste die wenigen Raketenwerfer der Station abgefeuert und nicht einmal eine Delle in eines der Raumfahrzeuge geschossen hatte. Der Feind hatte die Station mit all ihren Besatzungsmitgliedern quasi im Vorbeifliegen vernichtet, ihre Trümmer waren zusammen mit den ersten Landungsschiffen auf Arbedian nieder gegangen.
Die aus dem Orbit erkennbaren militärischen Installationen waren durch direktes Bombardement ausgeschaltet worden. Der Oberkommandierende der höchst bescheidenen Landstreitkräfte, Colonel Berek, hatte jedoch die Truppen vorher von dort abziehen lassen und auf dem ganzen Planeten verteilt. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass man sich mit den Tentakelkriegern, deren Anblick alleine schon schwer genug zu ertragen gewesen war, immerhin ein paar Rückzugsgefechte geliefert hatte. Agakawa hatte bereits gestern früh jeden Kontakt mit dem mobilen Kommandoposten Bereks verloren, so dass die Vermutung nahe lag, dass der Befehlshaber gefallen war. Der Militärfunk fing noch vereinzelte Meldungen versprengter Einheiten auf, doch auch die waren im Verlauf der letzten Nacht weniger geworden. Farkas musste derzeit davon ausgehen, dass die einzige noch einigermaßen funktionierende Einheit die von Marechal Agakawa war, und das auch nur, weil sie den ausdrücklichen Befehl gehabt hatte, den Gouverneur zu verbergen und nicht durch unnötige Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. Auf der Flucht aus der Hauptstadt hatte der Marechal trotzdem mehr als die Hälfte seiner Männer verloren, und als sie das kleine Landhaus abseits der größeren Siedlungen erreicht hatten, unter dem sich der Serienmäßige Schutzbunker des Gouverneurs befand, waren sie insgesamt nur noch zu neunt gewesen. Farkas' Sekretär hatte, nachdem er davon gehört hatte, dass seine Familie in die Hände der Invasoren gefallen war, Selbstmord begangen.
Farkas hatte ihn später regelrecht um diese rasche und entschlossene Haltung beneidet.
Der Gouverneur war kein Feigling, aber was er zu Gesicht bekommen hatte, als die Aufklärungsteams der Kolonialtruppen noch Aufzeichnungen übermittelt hatten, war definitiv zu viel. Er war ein Verwalter, ein Bürokrat, groß geworden und aufgestiegen in dem großen Bergbaukonzern, der auch das Arbedian-System bis vor kurzem unter Kontrolle hatte. Er mochte diese Welt und hatte sich nicht gesträubt, als seine Vorgesetzten ihn gebeten hatten, offiziell seinen Abschied zu nehmen, um eine »politische Karriere« anzustreben. Seine Frau war auf Arbedian geboren. Der Pragmatismus der Kolonistenbevölkerung wirkte ansteckend. Farkas hatte sich mit seiner Aufgabe mehr identifiziert, als seine Vorgesetzten sich das hätten ausmalen können, und die Entscheidung, den Liner mit Kindern zu füllen und selbst auf eine Flucht zu verzichten, war ihm nicht schwer gefallen.
Hätte er gewusst, was die Invasion der Tentakel bedeuten würde, hätte er sich möglicherweise anders entschieden, aber dafür war es jetzt ohnehin zu spät.
»Gouverneur …«
»Marechal, ich ahne bereits, was Sie mir sagen wollen. Wir sind hier nicht mehr lange sicher.«
Agakawa nickte schwer und rieb sich erneut über das Gesicht. Seine Augen blickten suchend umher, fanden die Thermoskanne auf Farkas' Schreibtisch und ohne um Erlaubnis zu fragen, beugte sich der Mann vor und goss sich eine Tasse lauwarmen Kaffee ein.
»So ist es«, erwiderte er, nachdem er einen
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