Tentakelwacht
deren Geburt man sie selbst und ihre Mutter sofort hätte erschießen müssen. Weniger als Dreck. Weniger als Abschaum. Nichtswürdig und nichts wert. Dreck wie du, Rekrut.«
Ohne jeden Gesichtsausdruck hob der Ausbilder den Elektrostab.
Roby wusste nicht, wie ihm geschah. Er fand diese Kraft in sich, die er längst verloren geglaubt hatte. Er fühlte, wie sie in ihm aufwallte, einen kalten Zorn, eine wilde, fatalistische Entschlossenheit, die alles hinter sich ließ und der jede Konsequenz egal war.
Eben noch im Matsch, stand er nun auf den Füßen. Der Ausbilder sah ihn überrascht an, hob den Elektrostab, um sich sein Ziel neu zu suchen. Dann stand Roby hinter ihm, setzte ein, was er in den Jahren auf der Straße gelernt hatte. Das wurde einem beim Militär nicht beigebracht, das lernte man, wenn man schon als Sechsjähriger entweder verprügelt wurde oder jemanden verprügelte.
Roby dachte nicht nach.
Er handelte einfach, instinktiv, geleitet von all der Wut und Frustration, die er in sich trug.
Er griff schnell zu, sauber, ohne Zeitverlust. Eine Hand am Kinn, das rechte Knie in den Rücken, die andere Hand kontrollierte den Arm mit dem Elektrostab. Eine kraftvolle Bewegung, effizient in ihrem dosierten Einsatz der Muskeln, präzise.
Ein ebenso präzises Knacken, als die Wirbelsäule brach; der Körper vor ihm erschlaffte und fiel in den nassen Dreck, Schlamm spritzte zur Seite.
Roby starrte auf den Leichnam des Ausbilders vor ihm. Ganz langsam, fast zögerlich, kehrte sein Verstand wieder zurück, klopfte an die durch Wut und Mordlust verschlossenen Türen. Die Welle der Gefühle ließ nach. Er zitterte. Roby fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Er hatte bereits getötet, und es machte ihm sicher keinen Spaß. Er war im Grunde ein mehr defensiver Mensch. Aber die Übelkeit kam nicht von dem, was er getan hatte, sondern in Ausblick auf das, was ihn jetzt erwartete.
Sicher, ja, er hatte im Affekt gehandelt.
Aber wen interessierte das hier?
Roby war bloß Menschenmaterial, das entsorgt werden konnte, wenn es den Anforderungen nicht genügte. Er war lediglich ein Ding, lebend ja, atmend, aber doch nur Verfügungsmasse einer militärischen Maschinerie. Wer er war, das störte niemanden. Es ging darum, was er war.
Jetzt hatte er einen Vorgesetzten umgebracht, dem Anschein nach kalt und gnadenlos.
Roby sackte auf seine Knie. Er zitterte am ganzen Körper. Er sah, wie der Regen in den halb geöffneten Mund des Toten strömte, der in den grauen, wolkenverhangenen Himmel starrte. Fast automatisch durchsuchte er die Taschen des Mannes, wie er es auf der Straße gelernt hatte. Er fand Ausweispapiere, Kleinkram, ein paar Münzen, die er sofort mechanisch einsteckte, und dann war da noch der Elektrostab.
Das war alles, was ihm blieb.
Nichts davon bot ihm einen Ausweg oder eine Idee fürs Überleben.
Er blickte hoch. Noch war niemand zu sehen, aber das würde sich jeden Moment ändern.
Das Übungsgelände war eingezäunt, wie das Freigehege eines Zoos. Überall standen Kameras und Wachleute. Und in diesem Zustand … Roby sah an sich hinab. Nein. Selbst, wenn es ihm gelang, das Gelände unerkannt zu verlassen, hatte er keine Chance.
Er atmete tief ein und aus. Was sollte es auch? Sein Leben war vorbei. Er …
Eine harte Faust ergriff ihn an der Schulter. Er wurde hochgezogen, herumgewirbelt. Etwas verschwommen sah er Uniformen, Militärpolizei.
Das war schneller gegangen als erwartet, dachte er.
Dann wurde er fortgezogen.
Er ließ es mit sich geschehen.
7
Sie verdrehten Slap die Arme auf dem Rücken, bis er vor Schmerz aufschrie. Die junge Offizierin sah dem grinsend zu. Er wusste jetzt auch endlich ihren Namen. Aspirant Estevez, Vorname: Oliviera. Sie fand, dass es nur angemessen war, sich richtig vorzustellen, ehe es zur Einweihungsparty kam.
Slap hatte andere Vorstellungen von einer Party, war aber nicht in der Situation, Aspirant Estevez alternative Vorschläge zu unterbreiten. Die beiden Muskelmänner, die ihn festhielten, wurden für ihre Gefälligkeit offenbar in klingender Münze bezahlt, anders konnte sich Slap nicht vorstellen, dass die Besatzung eines großen Raumschiffes so etwas mitmachte.
Andererseits, so korrigierte er sich, hatte er ja gar keine Ahnung, ob das hier nicht üblich war. Er wusste nur, dass es ihm nicht gefiel.
Estevez stellte sich vor ihn, sah ihn für einen Moment interessiert an. Dann, zu Slaps großem Erstaunen, begann sie damit, sich auszuziehen.
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