0985 - Luzifers Gesandte
Die beiden Kinder lagen in ihren Betten und schliefen. Wie es sich für einen fünfjährigen Jungen und ein vierjähriges Mädchen gehörte. Jedes Kind hatte ein eigenes Zimmer, aber erst seit einem Jahr, denn damals waren die Pernells in das kleine Haus eingezogen, das am Rand der Riesenstadt London lag und für sie eine Idylle war.
Sie hatten es vor vier Jahren gekauft und lange umgebaut, so daß aus dem ehemaligen Schuppen ihre kleine Insel geworden war, auf der sich Ralph, der Naturmensch, so wohl fühlte. So konnte er in seiner knapp bemessenen Freiheit immer wieder in seinen Garten gehen und sich den Wildrosen widmen, die er so liebte. Auch den Urlaub hatten die Pernells zu Hause verbracht. Es waren wunderbare Tage gewesen, und den Garten hatten beide dank des schönen Wetters richtig ausnutzen können. Ralph hatte sogar noch einen Sandkasten für seine beiden Kinder gebaut, was ihnen natürlich super gefiel.
Lisas Urlaub dauerte noch ein paar Tage länger. Sie arbeitete in einem Verlag als Sekretärin und war mit ihrem Job sehr zufrieden. Sie brauchte auch nur halbtags zur Arbeit zu gehen. Wenn sie nicht im Haus war, kam ihre Mutter und gab auf die Kinder acht.
Ralph Pernell fühlte sich von der Gartenarbeit ein wenig geschafft. Deshalb half er seiner Frau nicht in der Küche. Er hockte auf der Couch, hatte die Glotze eingeschaltet, trank hin und wieder einen Schluck Bier und schaute sich an, was in der Welt so alles passiert war. Dabei wartete er auf positive Nachrichten, die aber hatte der Sprecher nicht zu bieten.
Es ging immer nur um Mord, Krieg und Totschlag. Dinge, mit denen Pernell leider beruflich viel zu tun hatte.
Als Lisa die helle Schiebetür zwischen Küche und Wohnraum öffnete, drehte sich der Mann nach rechts. Seine Frau streckte den Kopf und ihren halben Oberkörper durch den Spalt, während sie ihrem Mann zulächelte. »Fühlst du dich gut?«
»Im Moment schon.«
»Es dauert noch ein paar Minuten.«
Ralph winkte ab. »Geht klar. Soll ich inzwischen den Tisch decken?«
»Nein, laß mal. Das erledige ich schon.« Lisa warf ihm eine Kußhand zu und zog sich wieder zurück.
Ralph lehnte sich wieder zurück. Es lief zwar die Glotze, doch er schaute nicht hin. Statt dessen beobachtete er seine Frau, die er schon bewunderte.
Obwohl Lisa von der Körpergröße her zu den kleinen Menschen zählte, steckte in ihr doch eine unwahrscheinliche Energie. Sie ließ sich so leicht nicht unterkriegen. Sie war immer auf Draht, nichts war ihr zuviel.
Manchmal fragte sich Ralph, womit er eine derartige Frau überhaupt verdient hatte. Er war oft weg. Lisa blieb dann allein zu Haus, sie pflegte zusätzlich noch den Garten und kümmerte sich nach der Arbeit noch um die Kinder. Nichts war ihr zuviel. Für Ralph grenzte dies schon an ein kleines Wunder. Er beschloß, Lisa in Zukunft etwas mehr zu verwöhnen und ihr auch hin und wieder etwas mitzubringen. Ein kleines Geschenk, nichts Großes, aber auch damit konnte man sagen: Ich denke an dich.
Trotz der schlechten Nachrichten aus der Glotze mußte Ralph lächeln, denn er dachte daran, daß er noch ebenso verliebt in seine Frau war wie vor acht Jahren, als sie sich zur Heirat entschlossen hatten.
Die zurückliegende Woche war wunderbar gewesen. Auch das Zusammensein mit den Kindern hatte ihm gefallen. Mal kein Mord, keine Verbrecher oder Psychopathen jagen, normal leben, wie man es sich erträumte.
An einem Tag hatten sie mit den Kindern einen Märchenpark besucht.
Dann waren sie zu den Eltern seinerseits gefahren, ansonsten hatten sie die Tage und Nächte allein verbracht. Nur in Familie machen, und auch kein dienstlicher Abruf hatte diese wunderschöne Ruhe gestört.
Der letzte Abend. Ralph Pernell schüttelte den Kopf und seufzte dabei.
Schade, er hätte den Urlaub gern noch um eine Woche verlängert, aber das war nicht drin.
Wieder öffnete Lisa die Schiebetür. Automatisch stellte Ralph den Ton leiser. Seine Züge bekamen einen etwas angespannten Ausdruck, als er Lisas Gesichtsausdruck sah. Etwas schien mit ihr nicht in Ordnung zu sein. Über der Nasenwurzel hatte sich eine steile Falte gebildet. So schaute Lisa nur dann, wenn sie mit etwas nicht zurechtkam oder sich gestört fühlte.
»Was ist denn?«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß es auch nicht, aber ich habe draußen vor dem Küchenfenster einen Schatten gesehen. - Meine ich«, fügte sie schnell hinzu.
»Schatten?« wiederholte Ralph, bevor er sein Glas leertrank. »Was für einen
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