Terminal 3 - Folge 2: Die Sensen des Himmels. Thriller (German Edition)
schützen.
Er ist klug. Er ahnt, dass ich sie dann alle sofort umlege. Das wäre schließlich für mich und meine Arbeitgeber die einfachste und sinnvollste Lösung.
Ich würde jetzt gern etwas Dampf ablassen. Etwas oder jemanden zerschlagen.
Ich mache eine kurze, intensive Atemübung.
Immer auf ein ausgewogenes Level achten.
Alles zu seiner Zeit.
Lennard Fanlay
Eigentlich müsste ich hundemüde sein. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass ich mein Bett auch nur angesehen habe.
Aber in meinem Kopf kreisen die Gedanken und versuchen die Ereignisse des Morgens zu ordnen.
Ich bin Gewalt gewöhnt. Habe in meinem Leben Schlägereien, Messerstechereien und mehr als eine Leiche gesehen. Manchmal auf das Übelste zugerichtet. Aber niemals ist jemand unmittelbar vor mir erschossen worden.
Jemand, für den ich genau in diesem Augenblick die Verantwortung trug. Weil ich ihn abgeführt habe.
Mit gefesselten Händen.
Somit hilflos.
Wie fremdgesteuert werden meine Schritte in Bookbinder’s Bar gelenkt. Der Tresen ist fast vollständig besetzt.
Bookbinders Geschäfte laufen immer gut. Um diese Zeit steht ihm eine Aushilfe zur Seite. Barrett, ein grauhaariger Afroamerikaner. Geht auf die siebzig zu. Trägt immer eine blütenweiße Schürze und ein keckes, kreisrundes Hütchen. Bookbinder erzählte mir, dass Barrett früher mal in einer ziemlich bekannten Soulband gesungen hat. Motown-Sound. Mehrmals in den Charts. Vor vierzig Jahren oder so.
Barrett hatte wohl schlechte Manager. Sonst müsste er von den Tantiemen leben können.
»Hallo, Mr Fanlay«, begrüßt er mich und serviert mir meinen Lieblingsdrink.
Orangensaft.
Sein Boss, Bookbinder, wirbelt herum und steckt mir einen gebogenen Strohhalm ins Glas. Am oberen Ende baumelt ein winziges Äffchen aus Plastik.
»Danke«, sage ich. »Aber ich hatte heute schon einen Affen.«
Bookbinder zieht fragend die Augenbrauen hoch.
Ich leere das Glas zur Hälfte. Manchmal glaube ich, dass es nur dieser Saft ist, der mich am Leben hält. Deshalb trinke ich ihn täglich.
»Schlimm.« Bookbinder lächelt heute nicht. »Die Sache mit dem Dealer.«
»Woher weißt du, dass es ein Dealer war?«
»Haben mir ein paar TSA-Jungs erzählt. Waren auf einen Kaffee hier.«
Ich sehe Duane Parkers feistes Gesicht wieder vor mir.
Er nimmt sich jetzt bestimmt noch wichtiger. Die Drogenmafia hat ihn schließlich direkt kontaktiert. Er hat keine Sekunde gezögert, damit vor seinen Leuten anzugeben.
»Hatten wir jemals Probleme mit Dealern?«, frage ich.
Bookbinder poliert mit einem Lappen mechanisch das Holz des Tresens. »Hin und wieder finden die was im Gepäck oder in einer Körperöffnung. Aber sonst ... nö.«
Ich nicke gedankenverloren.
»Ist doch auch ein viel zu großes Risiko«, fügt der Barmann meines Vertrauens hinzu. »Du ... die Wachleute und die vielen Kameras. ... Der Kerl muss ein ziemlicher Idiot gewesen sein.«
Die Kameras! Die Polizei hat sich bisher nur für die Aufnahmen von der Mall interessiert.
Ich trinke den Rest mit einem Zug und zücke eilig meine Geldbörse.
Bookbinder winkt ab. »Geht aufs Haus.«
»Danke!«, rufe ich ihm im Gehen zu. »Für alles!«
Rachel wendet sich abrupt um, als ich in den Überwachungsraum stürme.
»Leo? Hat man dein Bett gekidnappt?«
Ich setzte mich neben sie. »Ich will jede Kameraeinstellung von heute Morgen sehen. Zwischen sechs und halb acht.«
»Das dauert.« Rachel zündet sich vorsichtshalber schon mal eine neue Zigarette an. Der Rauch steigt mir in die Nase. Das stört mich nicht.
Ich stecke mir ein Kaugummi in den Mund. Fruchtgeschmack. Mit Zucker. Ohne diese geschmacksverändernden Süßstoffe.
Es dauert nicht lange, bis ich Andrew Murphy entdecke. Es ist, als hätte sich sein Aussehen in die Festplatte meines Hirns gebrannt.
Drei Minuten nach sechs in der Frühe.
Murphy von hinten.
Er schlendert durch die Mall, biegt ab in Gang C 3. Dort geht es zu den Toilettenanlagen.
Murphy bleibt stehen und starrt die Wand an, dann kehrt er wieder um.
Sehr seltsam.
»Der ist high«, vermutet Rachel.
Eine Kamera auf der Mall bekommt ihn ins Visier.
Ich sehe mich selbst. Ich stehe hinter Murphy, er starrt in das leere Schaufenster.
Als ich weitergehe, blickt er mir lange nach.
Er überquert die Mall, marschiert in C 2.
Dort gibt es Gepäckfächer und Geldautomaten.
Er holt die Ledertasche mit dem Plan des Flughafens aus einem der Fächer, hockt sich auf eine Bank und scheint ein Nickerchen zu
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