Terminal 3 - Folge 3: Tanz der Marionetten. Thriller (German Edition)
Urlaub, und außerdem fliege ich nicht besonders gerne. Die Statik ist so schwer zu berechnen. Ich bleibe lieber mit den Füßen auf dem Boden.
Die breiten Glastüren gleiten zur Seite. Eine Frau mit Kinderwagen kommt mir entgegen. Ich gehe hinein.
Das Erste, was mir an Terminal 3 auffällt, ist die Decke. Über die gesamte Breite des Gebäudes spannt sich ein hohes Tonnengewölbe. Stahlträger stützen die Konstruktion, alles in mattem Silber. Am Fuße des Gewölbes, oberhalb der Widerlager, sind große dreieckige Fenster in Wand und Decke eingelassen. Dahinter der schwarze Nachthimmel.
Für einen Augenblick gelingt es dem Terminal, mich abzulenken. Dann entdecke ich den Treffpunkt: einen kleinen Buchladen gleich neben dem Eingang. Er hat noch nicht geöffnet, die Schaufenster sind dunkel. Ich betrachte die Auslage, lese einige Titel. Hauptsächlich Fachliteratur. Geisteswissenschaften, würde ich sagen.
Ich denke an Nicole, und wie so oft kommt es mir vor, als läge unsere gemeinsame Zeit schon sehr lange zurück. Viel länger, als etwas zurückliegen kann in meinem Alter. So als wären das alles gar nicht meine Erinnerungen, nichts aus meinem eigenen Leben, sondern etwas, das ein Freund mir erzählt hat, etwas das ich geträumt oder in einem Film gesehen habe.
Es ist kurz nach halb. Ich schaue mich um, schaue in die Gesichter der Menschen – es sind erstaunlich viele für diese Uhrzeit –, und plötzlich denke ich: Vielleicht ist sie ja schon da? Vielleicht sitzt sie hier schon irgendwo und wartet? Und beim Gedanken daran gehe ich auch schon weiter. Zwei Reihen aus metallenen Säulen teilen das Terminal, die Köpfe der Säulen leuchten.
Ich gehe schnell auf die andere Seite hinüber, denn ich will nicht, dass Nicole mich zuerst sieht. Dass sie sieht, dass ich schon da bin. So als wäre alles ganz einfach. Als würden zwei Zeilen genügen, um die letzen sechs Jahre einfach wegzuwischen.
Auch auf der anderen Seite befindet sich eine niedrige Ladenzeile unterhalb der dreieckigen Fenster. Auch hier sind die meisten Schaufenster noch dunkel, nur ein Zeitungskiosk hat bereits geöffnet. Mein Gang wird langsamer. Immer wieder schaue ich zwischen den Säulen hindurch. Doch es bleibt niemand vor dem kleinen Buchladen stehen.
In der Mitte des Terminals, zwischen den leuchtenden Säulen, befindet sich eine Art Garten mit Blumen und kleinen Palmen. Sieht alles ziemlich exotisch aus. Ich gehe an den leuchtenden Blüten vorbei ins Innere des Gartens und erkenne, dass die Blumenkästen kreisrund angeordnet sind. Sie bilden einen Ring, in welchem sich wiederum eine kreisförmige Bar befindet. Ich gehe näher heran. Alle Barhocker sind leer, und auch hinter dem Tresen ist niemand zu sehen. Ich setze mich. Der Tresen glänzt wie frisch poliert, Lichter spiegeln sich auf der Oberfläche. Ich drehe mich herum. Zwischen den Blättern und Blüten hindurch kann ich gerade noch den Buchladen erkennen. Dies hier ist ein guter Platz zum Warten.
»Kann ich Ihnen was bringen?«, fragt jemand.
Hinter dem Tresen steht plötzlich ein älterer Mann. Er ist groß und kantig und weiß.
Alles an ihm ist weiß: das zurückgekämmte Haar, der riesige Schnurbart, das Westernhemd mit den Perlmuttknöpfen. Nur seine Haut ist dunkel, fast wie aus Leder, als hätte er einen Großteil seines Lebens im Freien verbracht.
»Wo kommen Sie denn her?«, frage ich.
Er zeigt hinter sich. »War im Keller.« Sein Mund verschwindet beinah vollständig hinter dem Schnurrbart.
»Ich wusste nicht, dass jemand hier ist«, sage ich.
»Eigentlich haben wir auch noch gar nicht geöffnet«, sagt er. »Aber ich dachte, vielleicht wollen Sie ja auch 'nen Kaffee. Hab gerade einen aufgesetzt.«
»Ja«, sage ich, »danke, warum nicht.«
Und der große Mann mit dem weißen Schnurrbart nickt und geht zu dem Turm aus Flaschen und Gläsern hinüber, welcher sich im Zentrum der Bar befindet.
Zwei Minuten später stellt er eine dampfende Tasse vor mich auf den Tresen und sagt: »Es geht mich zwar nichts an, Mister, aber … Sie sehen mir so aus, als könnten Sie etwas Stärkeres vertragen.«
»Wie darf ich das denn verstehen?«, frage ich.
Er hebt die kantigen Schultern. »So wie ich's gesagt habe. Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drink vertragen.«
Ich lache. »So schlimm?«
»Das müssen Sie selbst entscheiden«, sagt er und zuckt wieder mit den Schultern. »Ist Ihr Flug verschoben worden?«
»Nein«, sage ich. »Ich warte auf jemanden.«
»Verstehe«,
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