Terminal 3 - Folge 3: Tanz der Marionetten. Thriller (German Edition)
so früh gegangen bin.
Die E-Mail kam am Montagmorgen. Kein Betreff, keine Anrede. Nur zwei kurze Sätze. Bin am 24. in San Francisco. Würde dich gerne sehen. Nicole. Das war vor zwei Tagen. Seitdem ist nichts mehr so, wie es war. Alles ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Nina habe ich erzählt, ich müsse runter nach L.A., wegen einer Baustellenbesichtigung. Nichts Besonderes. Ich bin Bauunternehmer, ich bin ständig unterwegs. Und sie hat mir geglaubt. Es gibt keinen Grund, warum sie mir nicht glauben sollte. Ich habe sie niemals angelogen. Nur dass ich auf der Baustelle in L.A. gerade erst letzte Woche war.
Ich hätte die E-Mail einfach löschen können, als ich den Absender sah. Nicole hat noch denselben Nachnamen. Ist nicht so, dass ich viel darüber nachgedacht hätte, aber insgeheim bin ich wohl davon ausgegangen, dass sie längst geheiratet hätte. Vielleicht hat sie's ja auch und nur ihren Nachnamen behalten. Was soll's, ich hätte die E-Mail auf jeden Fall ungelesen löschen können, oder Nina davon erzählen. Tat ich aber beides nicht. Stattdessen schrieb ich zurück. Montagabend, vom Büro aus. Danach löschte ich beide E-Mails, meine und die von Nicole, obwohl Nina so gut wie nie in die Firma kommt und erst recht nicht an meinen Computer gehen würde. In dieser Nacht habe ich schon nicht so gut geschlafen. Nicoles Antwort kam dann am nächsten Morgen. Sie habe am Vormittag ein wichtiges Meeting, schrieb sie. Ob wir uns nicht zum Frühstück treffen können. Sie wohne direkt am Flughafen, am Abraham Norton. Ob sechs Uhr zu früh sei. Vier kurze Sätze, nicht mehr. Kein Wort darüber, warum sie sich treffen wollte. Ich schrieb zurück und löschte abermals alle Beweise.
Heute Morgen habe ich geduscht und anschließend im Stehen noch einen Kaffee getrunken. Ganz normal, wie jeden Morgen. Ich habe sogar in der Küche das Radio angestellt. Doch die Tür zum Kinderzimmer blieb geschlossen. Die Kleine ist nicht aufgewacht, obwohl sie das sonst immer tut, beim leisesten Geräusch. Vielleicht wäre ich sonst dageblieben. Wenn sich ihre Tür geöffnet oder ich ihre Stimme gehört hätte, ich wäre dageblieben. Ganz bestimmt sogar.
Aber sie ist nun mal nicht aufgewacht, dieses Mal nicht, und deshalb sitze ich jetzt hier auf diesem dunklen Parkplatz und warte.
Ich halte meine Hände an die Lüftung, und plötzlich habe ich Angst, dass die Batterie den Geist aufgeben könnte, was eigentlich kompletter Schwachsinn ist, weil der Lexus keine zwei Jahre alt ist. Und trotzdem, der Gedanke bleibt. Schließlich drehe ich den Zündschlüssel ganz zurück. Die Lüftung geht aus, die Armaturen erlischen.
Es wird schnell kalt im Wagen. Ich atme kleine Rauchwolken. Gelbes Licht spiegelt sich auf der Motorhaube. Ich schaue auf die Uhr. Die Zeiger haben sich kaum bewegt. Fünf Uhr siebzehn. Es sind keine fünf Minuten vergangen. Ich steige aus und gehe zum Terminal hinüber.
Lester Simmons
Wir tragen Polizeiuniformen. Frank, Carl, Gordon und ich. Frank hat sie besorgt.
Ich weiß nicht, woher er sie hat. Er sagt, je weniger wir wissen, desto weniger können wir verraten, wenn etwas schiefgeht. Die Uniformen sehen echt aus, soweit ich das beurteilen kann. Ich fühle mich verkleidet. Wie in einem Clownskostüm.
Carls Jacke ist zu klein, die Ärmel sind zu kurz. Ich kann seine haarigen Unterarme sehen, sie reichen fast bis zu den Knien. Affenarme. Sein Bruder Gordon ist einen halben Meter kleiner als er. Auch sonst haben die beiden wenig gemein. Gordon sieht irgendwie krank aus. Er schwitzt, und wenn er raufschaut zu den Bildschirmen, ist sein Gesicht ganz grün.
Die Monitore hängen direkt über uns. Blauer Grund und weiße Buchstaben. Städtenamen, Ankunfts- und Abflugzeiten. Die erste Maschine startet in einer halben Stunde, die erste Landung wird in siebenunddreißig Minuten erwartet. Leute trotten an uns vorbei. Das Band-Labyrinth vor der Sicherheitskontrolle füllt sich. Alles geht seinen gewohnten Gang.
Gordon fragt: »Wie lange noch?«
Niemand sagt etwas. Wir warten.
»Wie lange noch?«, fragt Gordon noch einmal.
Er sieht mich an. Seine Pupillen fressen die Regenbogenhaut. Nur noch ein kleiner blauer Rand ist übrig.
Eine Gruppe Anzugträger marschiert auf uns zu, ihre Koffer surren. Sie bleiben vor uns stehen, die Anzugträger, und glotzen. Wie Zoobesucher. Einer sagt etwas. Ein anderer zeigt auf uns und legt die Stirn in Falten, ein Dritter greift in seine Jacketttasche. Wahrscheinlich sucht er nach seinem
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