Terra Anchronos (German Edition)
Schalttag ausfällt? So lautet doch die Regel. Schwimmt die Faulkammer dann etwa nicht auf?“ Arne zweifelte an der Zuverlässigkeit der Methode.
„Die Frage habe ich dem Navigator auch gestellt, aber er hat nur verstohlen gegrinst. Er hat es mir nicht verraten. Ich glaube, dass er ein wenig schummelt und die Faulkammer trotzdem aufschwimmen lässt. Er macht immer ein großes Geheimnis um die verschiedenen Füllmarken in der Kammer. Nur ein einziges Mal habe ich erlebt, dass er nicht vom 29. Februar gesprochen hat, als wir auf der Faulkammer standen. Das war im Jahr 1900.“
„Vielleicht war es dann der 28. Februar“, überlegte Arne. „Oder der 1. März.“
„Der Navigator hat nie darüber gesprochen. Nur den 29. Februar begrüßt er so, dass alle es hören können. Jeden Neuankömmling fragt er nach dem Datum und freut sich wie ein Kind, wenn er die gewünschte Antwort erhält.“
„Hatte er denn bisher immer recht?“
„Das schon. Aber wem, der auf immer in der Terra anchronos lebt, wo Zeit keine Rolle spielt, nutzt das?
Irgendwann wird der Navigator Ärger bekommen. Die Subtektonen halten ihn ohnehin schon für verrückt, weil er immer wie ein Rumpelstilzchen auf der Insel herumhüpft und schreit.“
„Warum lassen die Subtektonen sich das denn gefallen? Sie könnten doch einfach die Arbeit verweigern.“
„Weil sie ohne den Navigator nicht wüssten, wann die Viperae archimedensis auf die Suche nach Leben geschickt werden dürfen.“
„Ohne neues Leben gibt es keine Neuigkeiten.“
Arne nickte wissend.
„So ist es“, bestätigte Martha. „Jeder in der Terra anchronos war einmal ein Mensch. Und der ist neugierig. Das ändert sich auch nicht. Der Navigator hat die Subtektonen in der Hand.“
Nach gut einer Woche kam zum ersten Mal Land in Sicht. Zwischen Kuba und Haiti endete die Passage des Atlantiks. An Bord wurde schon über das Durchfahren des Panamakanals gesprochen, während das Karibische Meer in Grün und Hel blau leuchtete. Die Matrosen begannen zu schwärmen und bedauerten, dass die Reise ohne Halt weitergehen musste. Zu gerne hätten sie in Kingston, auf Jamaika, den Fuß an Land gesetzt.
Es wurden aber auch Dinge erzählt, die Arne große Sorgen bereiteten. Er fragte seinen Vater, ob das Gerede der Martrosen tatsächlich stimme.
„Du wirst es ja gleich erleben, Arne. Wenn die Suchmannschaft kommt, musst du dich schön im Hintergrund halten und alles tun, was die Männer von dir verlangen.“
„Was suchen sie denn?“
„Rauschgift, Schmuggelware, blinde Passagiere.
Halt alles, was verboten ist.“
„Und wo suchen sie?“ Arne war ganz blass geworden.
„Überall. Im Schiffsrumpf, an Deck, in jeder Kammer. Und glaub mir, diese Männer kennen jedes Versteck, das sich jemals ein Seemann ausgedacht hat.“
Arne tat, als seien das alles keine beunruhigenden Neuigkeiten. Wenn er ehrlich war, machte er sich allerdings vor Angst fast in die Hose.
„Mir ist nicht gut“, sagte er zu seinem Vater. „Ich gehe auf meine Kammer.“
„Willst du nicht zusehen, wie wir in den Kanal fahren“, rief der Kapitän seinem Sohn nach, erhielt aber keine Antwort.
„Du musst dich verstecken, Martha! Schnell!“ Arne lehnte schwer atmend an der Tür seiner Kammer. „Sie suchen gleich blinde Passagiere!“ Er hastete zum Fenster und sah, wie die Gangway an Land gesetzt wurde.
Kaum hatte die Treppe den Boden berührt, stürmten auch schon an die zwanzig ganz in schwarz gekleidete Männer an Bord. Arne sah seinen Vater, der mit einem von ihnen sprach.
„Hör jetzt auf zu weinen“, fuhr Arne seine Freundin an, konnte aber selbst die Panik und mit ihr die aufsteigenden Tränen kaum unterdrücken. Er hörte schon die schweren Schritte der Männer auf dem Flur.
In seiner Verzweiflung öffnete der Junge den Deckel seiner Seekiste und stieß Martha unsanft hinein. Als die Tür aufgerissen wurde, saß er gemütlich auf dem Deckel. Arne tat so, als lese er in einem Buch.
Der Mann blieb mitten im Raum stehen und sah sich prüfend um. Dann ging er wortlos, ohne Arne nur im Geringsten zu beachten, an die eingebauten Schränke der Kammer und öffnete al e Türen. Die Sachen des Jungen flogen im hohen Bogen über die Schulter des grimmig schauenden Mannes und landeten auf der Erde. Arne wagte es nicht, die Kleidungsstücke aufzuheben. Wie zur Salzsäule erstarrt blieb er auf seiner Seekiste sitzen. Plötzlich war vom Gang ein lautes Rufen zu hören. Ärgerlich schmiss der Mann die letzte
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