Terra Mater
verseuchte.
Obwohl die Utgenianer wissen, dass ihre Heimat krank ist und die sterbende Sonne sie nicht mehr wärmen wird, haben sie nicht die Kraft, ihren Planeten zu verlassen. Mit erstaunlichem Gleichmut ertragen sie die fortschreitende Vereisung, die Verdünnung des Sauerstoffgehalts der Luft und die damit einhergehenden Unbilden des Klimas … Und dieser Stoizismus wandelt sich langsam in Fatalismus.
Doch rufen wir uns die Worte des Predigers auf der Großen Düne von Osgor ins Gedächtnis zurück: »Oh ihr, die ihr euch widerspruchslos fügt, begreift ihr nicht, dass euch euer Fatalismus zu einer leichten Beute der falschen Propheten einer Irrlehre macht? Oh ihr, die ihr auf eure Freiheit verzichtet habt und euch in Illusionen wiegt …«
Auf Ut-Gen erlebte ich, wie sich an dessen Bewohnern jene göttliche Prophezeiung
der Kirche des Kreuzes erfüllte. Aus dieser Erfahrung heraus möchte ich noch einmal unsere Novizen in den heiligen Propagandaschulen auf ein ehernes Prinzip hinweisen. Der Begriff Fatum – als verhängnisvolles Geschick –, ein beliebtes Argument Andersgläubiger, ist völlig abwegig, weil ein solches Denken die Saat des Wahren Glaubens wie Unkraut überwuchert und erstickt. Denn es finden immer mehr Kinderopfer, sexuelle kollektive Ausschweifungen und andere barbarisch-heidnische Riten statt.
Wie soll ich die Einheimischen beschreiben? Die utgenischen Männer sind klein und gedrungen, als würden die hier herrschende größere Schwerkraft als auf den Welten des Zentrums sie niederdrücken und deformieren. Ihre Gesichtszüge sind meistens grobschlächtig (der Beginn allgemeiner Beta-Zoomorphie?), ihre Brauen struppig, ihre Augen gelb und hervorstehend, ihre Nasen breit und flach, ihre Lippen dick, ihre Oberkiefer stehen vor … Die Frauen hingegen sind groß gewachsen, feingliedrig und haben schöne Gesichter. Soweit ich das beurteilen kann, sind sie ebenso schön wie ihre Männer hässlich sind. Eine mögliche Erklärung dieses Phänomens – über die Wissenschaftler lächeln würden, die ich aber poetisch finde – wäre, dass der dem Mond zugeordnete Stoffwechsel der Frau (der Mann wird dem Einfluss der Sonne zugeordnet) sich besser den veränderten klimatischen Verhältnissen auf Ut-Gen anpasst hat. Ich spreche hier nicht von den in den verseuchten Gebieten lebenden Überläufern, den sogenannten Quarantänern. Diese Wesen ähneln eher apokalyptischen Monstern als Menschen. Sie verdanken ihr Überleben der ehemaligen Konföderation von Naflin und deren fanatischen Anhängern, den Rittern der Absolution. Man hat mir wiederholt vorgeworfen, die Vergasung und das Zuschütten der Schächte und der unterirdischen Behausungen im Nord-Terrarium – dem Wohnsitz der Quarantäner – befohlen zu haben, aber der Oberste Ethikrat der Kirche des Kreuzes, den ich bereits vorher konsultiert hatte, versicherte mir, mich voll und ganz in meinen Maßnahmen zu unterstützen.
Am 17. Tag des Monats Jorus auf Syracusa verurteilte ich meinen ersten Häretiker zum langsamen Tod am Feuerkreuz – einen Priester der H-Prime-Religion, einen Anbeter des Sonnengottes in Frauengestalt. Bis zu meinem letzten Atemzug – gebe die Kirche des Kreuzes, dass ich noch viele Jahre
lebe, denn meine Arbeit auf diesen niederen Welten ist noch lange nicht vollendet … – werde ich mich an den Hass erinnern, den er mir entgegenschleuderte, als die ersten Flammen an seinem Körper emporzüngelten. Er war im Gegensatz zu den meisten seiner Rasse ein außerordentlich schöner Mann mit einem stark entwickelten Geschlecht und somit schamlos in seiner Nacktheit. Und unter den Zuschauern waren viele Frauen, die er befruchtet hatte (natürlich hatten sie ihre Unschuld beschworen, aber der scaythische Inquisitor hatte sie mühelos überführt), und sie weinten. Zu jener Zeit war ich ganz und gar von meinem Priesteramt erfüllt. Nichts anderes beschäftigte meine Gedanken. Ich musste nicht einmal die Hilfe der Auslöscher in Anspruch nehmen, um meine Jugend zu leugnen, um meine marquisatinische Herkunft zu vergessen … Der Sohn Jezzica Boghs, der Wäscherin des Runden Hauses mit seinen neun Türmen, hatte nie existiert … Der Spielgefährte List Wortlings, des Sohns des Seigneurs Abasky, hatte nie existiert… Der aufsässige Jugendliche, der zwei Tage und Nächte den Tod Armina Wortlings weinend beklagte, hatte nie existiert …
Ich lebte weit vom Planeten Syracusa, weit von den Intrigen der Hauptstadt Venicia
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