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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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geblieben», sagt Ahmed gestelzt.
    «Kein großer Segen, nach allem, was ich an der Schule mitbekomme. Bei den Schakalen, habe ich mal irgendwo gelesen, bekämpfen sich die Welpen bis auf den Tod, kaum dass sie geboren sind.«
    Weniger gestelzt teilt Ahmed Mr. Levy mit: «Charlie hat sich sehr eloquent für den Dschihad stark gemacht.» Er lächelt, als er daran zurückdenkt.
    «Das war anscheinend eine seiner Masken. Ich bin dem Mann nie begegnet. Nach allem, was ich höre, war das ein ganz unberechenbarer Bursche. Sein Fehler, hat meine Schwägerin gesagt – die plappert allerdings nur nach, was ihr Boss sagt, sie betet den Schwachkopf an –, sein verhängnisvoller Fehler war, die Falle zu lange nicht zuschnappen zu lassen. Er hätte zu viele Filme gesehen.»
    «Er hat sehr viel ferngesehen. Er wollte eines Tages Werbespots drehen.»
    «Was ich vor allem sagen will, Ahmed: Sie müssen das hier nicht tun. Es ist aus. Charlie wollte nie, dass Sie’s wirklich durchziehen. Er hat Sie benutzt, um die anderen auffliegen zu lassen.»
    Ahmed betrachtet das schlüpfrige, sich entrollende Gewebe der Dinge, die er da gehört hat, und kommt zu dem Schluss: «Es wäre ein glorreicher Sieg für den Islam.»
    «Für den Islam? Wie das?»
    «Es würde viele Ungläubige töten und in Schwierigkeiten bringen.»
    «Das muss ja wohl ein Witz sein», sagt Mr. Levy, während Ahmed gewandt den Wechsel von Route 80 Ost zur Route 95 Süd handhabt und dem Mercedes nicht gestattet, ihn rechts zu überholen, als der größte Teil der Fahrzeuge nach Osten, in Richtung George-Washington-Brücke, weiterfährt. Links von ihnen fältelt sich in der Brise der Overpeck, der dem Havensack zufließt. Der Laster befindet sich auf dem New Jersey Turnpike, über Sumpfgelände, von dem jede kleinste Fläche, die trockenzulegen ist, profitabel genutzt wird. Der Turnpike teilt sich in zwei Zweige; der linke Zweig führt zur Ausfahrt Lincoln-Tunnel. Die Verschwörer haben dafür gesorgt, dass eine elektronische Mautzahlungsvignette in der Mitte der Windschutzscheibe befestigt ist; damit wird er glatt an der Mautstelle vorüberrollen, ohne dass der jugendliche Fahrer länger als einen Moment den Augen eines Mautkassierers oder Wächters ausgesetzt ist.
    «Denken Sie an Ihre Mutter.» Mt. Levy hat den leichten Plauderton abgelegt; seine Stimme hat nun etwas Schnarrendes. «Sie wird nicht nur Sie verlieren, sondern als die Mutter eines Monsters bekannt werden. Eines Wahnsinnigen.»
    Allmählich macht es Ahmed Vergnügen, sich von den Argumenten dieses Eindringlings nicht rühren zu lassen. «Ich war für meine Mutter noch nie wichtig», stellt er fest. «Obwohl sie, das gebe ich zu, brav ihre Pflicht getan hat, nachdem ich unglückseligerweise einmal geboren war. Und von wegen Mutter eines Monsters: Im Nahen Osten werden die Mütter von Märtyrern hoch geachtet und erhalten eine stattliche Pension.»
    «Ich bin mir sicher, sie legt mehr Wert auf ihren Sohn als auf eine Pension.»
    «Wieso sind Sie sich eigentlich sicher, Sir, wenn ich fragen darf? Wie gut kennen Sie meine Mutter?»
    Möwen – erst einige wenige in seinem Blickfeld vor der Windschutzscheibe, dann kommen Dutzende in Sicht, und aus den Dutzenden werden Hunderte – kreisen über einer Abfallhalde. Jenseits ihrer gierigen geflügelten Versammlung, jenseits des tfägen Hudson, steht die steinfarbene, wie ein gigantischer Schlüssel gekerbte Silhouette der großen Stadt, die das Herz Satans ist. Von Osten her beleuchtet, ragen ihre Türme nach Westen zu im Schatten auf, und zwischen ihnen gleißt ein Dunstschleier. Mr. Levys Schweigen kündigt einen weiteren Angriff auf Ahmeds Überzeugungen an, für den Moment aber sind Fahrer und Mitfahrer in wortloser Einhelligkeit vom flüchtigen Anblick eines der Weltwunder gebannt, der ihnen mit dem Vorrücken des Verkehrs abrupt entzogen wird und an dessen Stelle zu beiden Seiten der Route 95 relativ leere Flächen treten – Sumpfgras, durchsprenkelt von den blauen Adern der Entwässerungskanäle, die auf ihren Streifzügen durch den Schlamm den Himmel widerspiegeln. Am oberen Rand der Windschutzscheibe entflieht Newark International Airport ein silbriges, kreuzförmiges Glimmen und bahnt in den milchig-leeren Himmel eine zweistrahlige Spur, als sollten ihm andere darauf folgen, gemäß dem Geflecht von ZeitSlots, das die Fluglotsen überwachen. Für einen Moment fühlt Ahmed sich glücklich, wie ein Flugzeug, das sich der Schwerkraft entzieht.
    Mr. Levy

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