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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Schnellstraße bewegen sollen.
    Doch die Ampel an der Ecke springt um, der Verkehr stockt, und der Lastwagen muss halten. Flinker, als Ahmed es Mr. Levy zugetraut hätte, wedelt der Mann durch die Reihen haltender Fahrzeuge, erreicht den Laster und pocht herrisch an das Bei fahre rfenster. Verwirrt, darauf konditioniert, sich einem Lehrer gegenüber nicht respektlos zu benehmen, greift Ahmed hinüber und drückt auf den Knopf, der die Türsperre aufhebt. Immer noch besser, ihn hier drinnen neben sich zu haben, denkt der Junge überstürzt, als draußen, wo er Alarm auslösen kann. Mr. Levy reißt die ßelfahrertür auf, und gerade in dem Moment, in dem die Fahrzeuge wieder anfahren müssen, hievt er sich herauf und lässt sich auf den brüchigen schwarzen Sitz plumpsen. Er knallt die Tür zu. Er japst. «Danke», sagt er. «Hab langsam schon befürchtet, ich hätte Sie verpasst.»
    «Woher wussten Sie denn, dass ich hier vorbeikommen würde?»
    «Anders kommt man nicht auf die Route 80.»
    «Aber das hier ist doch nicht mein Laster.»
    «Ich wusste, dass es ein anderer sein würde.»
    «Wieso denn?»
    «Das ist eine lange Geschichte. Ich kenne sie nur in Fitzeln und Schnipseln. Rollos mit System – das ist witzig. Lassen wir Licht herein. Wer sagt eigentlich, diese Leute hätten keinen Humor?» Er ist noch immer außer Atem. Als Ahmed einen Bück auf sein Profil hinüberwirft, dorthin, wo immer Charlie saß, fällt ihm auf, wie alt der Beratungslehrer ist, wenn man ihn außerhalb des jugendlichen Gewimmels an der High School erlebt. Müdigkeit hat sich unter seinen Augen angesammelt. Seine Lippen wirken schlaff, die Lidhaut unter der Augenbraue hängt herunter. Ahmed fragt sich, was für ein Gefühl es sein mag, Tag für Tag einem natürlichen Tod entgegenzugleiten. Er selbst wird es nie erleben. Wenn man so lange gelebt hat wie Mr. Levy, spürt man es vielleicht nicht mehr. Noch immer kurzatmig, setzt Mr. Levy sich auf, befriedigt, dass er sein Ziel erreicht hat, in Ahmeds Lastwagen zu gelangen. «Was ist das hier?», fragt er mit einem Blick auf die tarnfarbene Metallbox, die zwischen den beiden Sitzen mit Klebeband auf dem Plastikkasten befestigt ist.
    «Nicht anfassen!» Dies entfährt Ahmed mit einer solchen Schärfe, dass er aus Höflichkeit ein «Sir» hinzufügt.
    «Keine Angst», sagt Mr. Levy. «Aber Sie fassen es auch nicht an.» Stumm inspiziert er die Box, ohne sie zu berühren. «Im Ausland hergestellt, möglicherweise in Tschechien oder China. Unser alter Standardzünder LD 20 ist’s mit Sicherheit nicht. Ich war mal bei der Armee, sollten Sie wissen, auch wenn sie mich nie nach Vietnam geschickt haben. Das hat mich gewurmt. Einerseits wollte ich nicht hin, andererseits wollte ich mich bewähren. Sie können das ja verstehen. Dass man sich bewähren will.»
    «Nein, das verstehe ich nicht», sagt Ahmed. Die plötzliche Einmischung hat ihn durcheinander gebracht; seine Gedanken kommen ihm wie Hummeln vor, die blindlings von innen gegen seinen Schädel prallen. Dennoch fährt er weiterhin geschmeidig, lässt den GMC 3500 über den weiten Auffahrtbogen auf die Route 80 schlüpfen, wo die Fahrzeuge um diese Pendlerstunde Stoßstange an Stoßstange dahinrollen. Allmählich gewöhnt er sich an die nachtragende Art, mit der dieser Laster reagiert.
    «Wenn ich’s recht verstanden habe, haben sie die Einmannbunker der Kongs mit Sprengstoff gespickt, sie versiegelt und mit Insassen hochgehen lassen. Murmeltierjagd nannten sie das. Keine hübsche Methode. Andererseits war die ganze Geschichte nicht besonders hübsch. Die Frauen mal ausgenommen. Aber nicht mal denen konnte man trauen, hab ich gehört. Die waren nämlich auch Kongs.»
    Ahmed schwirrt der Kopf; er versucht nun, seinen Standpunkt klarzumachen: «Sir, wenn Sie den geringsten Versuch machen, die Kabel zu unterbrechen oder mich beim Fahren zu behindern, dann lasse ich vier Tonnen Sprengstoff explodieren. Der gelbe ist ein Sicherungshebel, und den stelle ich jetzt ab.» Er legt ihn nach rechts um – schnapp –, und beide Männer warten ab, was nun geschehen wird. Ahmed denkt: Wenn etwas geschieht, wissen wir nichts mehr davon. Nichts geschieht, doch der Sicherungshebel steht nun auf «Aus». Er braucht jetzt nur noch den Daumen in die kleine Mulde zu stecken, an deren Boden der rote Detonationsknopf liegt, und die Sekundenbruchteile zu warten, bis die Zündung des Sprengpulvers durch die verstärkende Mischung aus Pentrit und Rennwagentreibstoff in

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