Terrorist
Lastwagen fährt sich anders als Excellency, der ein lässiges Schwingen an sich hatte, als säße der Fahrer auf dem Hals eines Elefanten. Auf Rollos mit System kann Ahmed sich als Fahrer nicht organisch einfühlen. Das Lenkrad passt nicht in seine Hände. Jede Unebenheit der Straßenoberfläche lässt den gesamten Rahmen erzittern. Die Vorderräder ziehen permanent nach links, als hätte sich der Rahmen bei irgendeinem Unfall verzogen. Das Gewicht der Ladung – doppelt so viel, wie McVeigh einsetzen konnte, schwerer und kompakter als irgendeine Möbelladung – drückt von hinten, wenn er an einer roten Ampel bremst, und hält ihn zurück, wenn er bei Grün anfährt.
Um die Stadtmitte zu vermeiden – die High School, das Rathaus, die Kirche, den Schuttsee, die stämmigen Glashochhäuser, die von der Regierung zur Beschwichtigung finanziert werden –, biegt Ahmed in Richtung Washington Street ein, die so heißt, weil sie, wie ihm Charlie einmal erklärt hat, in der anderen Richtung an einem Herrenhaus vorbeiführt, das der große General als eines seiner Hauptquartiere in New Jersey benutzt hat. Der Dschihad und die Revolution führten einen Krieg der gleichen Art, hatte Charlie ihm erklärt – den verzweifelten, grimmigen Krieg des Underdog, während der imperiale Overdog behauptet, die Gegenseite verstoße unfair gegen die Regeln, die er selbst aufgestellt hat, zu dessen Gunsten.
Ahmed drückt das Radio im Armaturenbrett an; es ist auf einen abscheulichen Rap-Sender eingestellt, der unverständliche Obszönitäten ausspuckt. Er findet WCBS-AM , und eine atemlose Stimme unterrichtet ihn davon, dass sich der Verkehr auf der Spirale hinunter zum Lincoln-Tunnel mächtig staut – mal wieder, hahaha. Es folgen ein rasches Geschnatter aus einem Hubschrauber und laute Popmusik. Ahmed stellt das Radio wieder ab. In dieser teuflischen Gesellschaft gibt es nichts zu hören, was einem Mann in seiner letzten Stunde angemessen wäre. Stille ist da besser. Die Stille ist Gottes Musik. Ahmed muss ganz rein sein, wenn er vor Gott hintritt. Ein eisiges Ziehen hoch in Ahmeds Unterleib erreicht seinen Darm, als er an die Begegnung mit dem anderen Selbst denkt, das er immer als ihm so nah empfunden hat wie seine Halsschlagader, wie einen Bruder, einen Vater, jedoch als einen so vollkommen strahlenden, dass er ihm nie unmittelbar entgegenzutreten vermochte. Nun führt er, der Vaterlose, Bruderlose, Gottes unerbittlichen Willen aus; Ahmed beeilt sich, hutama zu verbreiten, das vernichtende Feuer. Genauer bedeutet hutama, hat Scheich Rashid einmal erläutert, das, was in Stücke bricht.
Von New Prospect aus gibt es nur eine Auffahrt zur Route 80. Ahmed steuert den Laster auf der Washington Avenue südostwärts, bis sie auf die Tilden Avenue stößt, die direkt in die Route 80 mit ihrer um diese Tageszeit tosenden Kaskade Richtung New York City mündet. Drei Blocks nördlich der Auffahrt, an einer breiten Ecke, an der sich eine Gettyund eine Mobiltankstelle mit angeschlossenem Shop-a-Sec gegenüberliegen, bemerkt Ahmed eine irgendwie bekannte Gestalt, die winkend am Bordstein klebt – nicht winkend wie ein Mann, der unsinnigerweise auf ein Taxi hofft (die in New Prospect nicht frei umherfahren, sondern telefonisch herbeibeordert werden müssen) –, sondern deren Winken ganz deutlich ihm gilt. Der Mann deutet sogar durch die Windschutzscheibe auf Ahmed; er hebt die Hände, wie um etwas aufzuhalten. Es ist Mr. Levy, in einem braunen Anzugjackett, das nicht zu seiner grauen Hose passt. Er ist an diesem Montag für die Schule angezogen, steht jedoch gut einen Kilometer südlich von Central High im Freien.
Ahmed ist durch den unerwarteten Anblick wie gelähmt. Bei all dem, was ihm in rasender Geschwindigkeit durch den Sinn geht, kämpft er um einen klaren Kopf. Vielleicht hat Mr. Levy ja eine Nachricht von Charlie, obwohl sie einander nicht kennen, soviel er weiß; dem Beratungslehrer hat es nie gefallen, dass Ahmed den Lkw-Führerschein gemacht hat und Lastwagen fährt. Oder eine dringende Nachricht von seiner Mutter, die in diesem Sommer eine Zeit lang etwas zu oft von Mr. Levy gesprochen hat, in diesem Ton, der darauf hindeutet, dass sie wieder einmal dabei war, sich in eine peinliche Situation zu stürzen. Ahmed wird nicht anhalten, so wenig, wie er wegen einem der zappelnden, zudringlichen Monster aus Plastikschläuchen und warmer Luft anhalten würde, die Konsumenten in ihren Bann ziehen und zum Abbiegen von einer
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