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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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die Tonnen von Nitrat hinaufzischt. Mit der Daumenkuppe betastet er den glatten roten Knopf, ohne den Blick von der verstopften Schnellstraße zu nehmen. Wenn der schlappe Jude da das Geringste unternimmt, um ihn abzulenken, wird er ihn beiseite wischen wie ein Stück Papier, wie ein Büschel zerzauster Wolle.
    «Ich denke gar nicht daran», erklärt ihm Mr. Levy in dem unecht lockeren Ton, mit dem er versagende Schüler berät, trotzige Schüler, Schüler, die sich aufgegeben haben. «Ich wollte Ihnen nur ein paar Dinge erzählen, die Sie interessieren könnten.»
    «Was für Dinge? Sagen Sie’s mir, und ich lasse Sie raus, wenn wir näher an mein Ziel kommen.»
    «Nun, die Hauptsache ist wohl, dass Charlie tot ist.»
    «Tot?»
    «Geköpft, genau gesagt. Gruselig, was? Er ist gefoltert worden, bevor sie es getan haben. Die Leiche wurde gestern Morgen gefunden, in den Meadows abgeworfen, an dem Kanal südlich des Giants-Stadions. Sie wollten, dass sie gefunden würde. Es war ein Zettel daran geheftet, auf Arabisch. Offenbar war Charlie ein CIA-Spitzel, und das hat die andere Seite schließlich kapiert.»
    Es hatte einmal einen Vater gegeben, der verschwunden war, bevor Ahmeds Gedächtnis sich ein Bild von ihm einprägen konnte; und dann war Charlie freundlich zu ihm gewesen und hatte ihm gezeigt, wo es entlanggeht, und nun hat dieser müde Jude in einer Aufmachung, als würde er sich im Dunkeln anziehen, deren Platz eingenommen, die leere Stelle neben ihm. «Was genau stand auf dem Zettel?»
    «Ach, ich weiß nicht. Immer das altbekannte Gleiche – eben so etwas wie: Wer seinen Eid bricht, tut’s zum eigenen Nachteil. Gott wird ihm seine Strafe nicht vorenthalten.»
    «Das klingt nach dem Koran, nach der achtundvierzigsten Sure.»
    «Es klingt auch nach der Thora. Mag also sein. Es gibt eine Menge Dinge, die ich nicht weiß. Ich war nicht von Anfang an dabei.»
    «Darf ich fragen, woher Sie wissen, was Sie wissen?»
    «Von der Schwester meiner Frau. Sie arbeitet in Washington, beim Heimatschutz. Gestern hat sie mich angerufen; meine Frau hatte ihr einmal davon erzählt, dass mich Ihr Fall interessiert, und sie haben sich gefragt, ob da nicht ein Zusammenhang besteht. Sie konnten Sie nicht finden, keiner. Da habe ich mir gedacht, ich versucht mal auf diese Weise.»
    «Warum sollte ich irgendetwas von dem glauben, was Sie da sagen?»
    «Dann lassen Sie’s doch bleiben. Glauben Sie es nur, wenn es mit dem zusammenpasst, was Sie wissen. Ich vermute mal, es passt. Wenn ich lüge, wo ist dann Charlie jetzt? Seine Frau sagt, er ist verschwunden. Sie schwört, er hätte nur etwas mit Möbelhandel zu tun.»
    «Was ist mit den anderen Chehabs, und mit den Männern, denen sie Geld haben zukommen lassen?»
    Ahmed hat einen mitternachtsblauen Mercedes dicht hinter sich, gefahren von einem ungeduldigen Mann, der zu jung ist, um schon einen Mercedes verdient zu haben, es sei denn mit Aktenmanipulationen auf Kosten der weniger Begünstigten. Solche Männer wohnen teuer in den so genannten Schlafstädten von New Jersey, solche Männer sind von den Türmen gesprungen, als Gott sie zu Fall gebracht hat. Ahmed fühlt sich diesem Mercedesfahrer überlegen und ist nicht beeindruckt von dem Gehupe und den Ausscherversuchen, mit denen der Mann dramatisch seinem Begehren Ausdruck verleiht, der weiße Laster solle weniger gemächlich auf der Mittelspur dahinfahren.
    «In den Untergrund gegangen und in alle Winde verstreut, nehme ich an», antwortet Mr. Levy auf Ahmeds Frage. «Zwei Männer, die aus Newark nach Paris fliegen wollten, haben sie festgenommen, und Charlies Vater liegt im Krankenhaus, angeblich mit einem Schlaganfall.»
    «In Wirklichkeit leidet er an Diabetes.»
    «Mag sein. Er sagt, er liebt dieses Land, und sein Sohn habe es auch geliebt, und jetzt sei sein Sohn für dieses Land gestorben. Nach der einen Theorie ist er derjenige, der die CIA auf seinen Sohn aufmerksam gemacht hat. Den Onkel in Florida hatten die FBI-Leute schon länger im Visier. Diese Dienste sind zwar alle überfordert, und sie kommunizieren nicht untereinander, aber alles entgeht ihnen nun auch wieder nicht. Der Onkel wird wohl auspacken, oder sonst jemand tut ’ s«. Es ist schwer zu glauben, dass der eine Bruder keine Ahnung davon hatte, was der andere so trieb. Diese Araber setzen sich alle gegenseitig mit dem Islam unter Druck: Wie kannst du zum Willen Allahs nein sagen?»
    «Ich weiß es nicht. Der Segen, einen Bruder zu haben, ist mir versagt

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