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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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über diesen kleinen Seitenhieb; sie agiert verblüffend wendig. «Also kein gutes.»
    «Lassen Sie ihn seine Leidenschaft entdecken», rät sie dem Berater. «Im Moment sind es die Lastwagen, die Beweglichkeit. ‹Mom›, sagt er zu mir, ‹ich muss die Welt sehen.›»
    «Nach allem, was ich über die Bestimmungen zum Gewerbeführerschein weiß, kriegt er, bis er einundzwanzig ist, nichts als New Jersey zu sehen.»
    «Das ist doch schon mal was», sagt sie und gleitet wendig von ihrem Hocker. Die obersten beiden Knöpfe ihres farbverklecksten Arbeiterhemds hat sie offen gelassen, sodass Jack ihre Brüste hüpfen sieht. Diese Frau hat wahrhaftig eine Menge Ja in sich.
    Doch das Gespräch ist beendet; es ist halb neun. Levy nimmt die drei unerwünschten Collegekataloge mit, durch das Zimmer, in dem der Junge noch immer über seinen Heften sitzt, und bleibt an dem schweren, alten, dunklen, runden Tisch, der ein Erbstück sein muss, stehen. Er erinnert ihn an die schweren, deprimierenden Sachen seiner Eltern und Großeltern, in dem Haus, in dem er groß geworden ist, draußen in der Totowa Road. Von hinten betrachtet, sieht Ahmeds Hals dünn und verletzlich aus, und die oberen Ränder seiner adretten, eng gefurchten Ohren weisen ein paar Sommersprossen auf, die er seiner Mutter stibitzt hat. Levy legt die Kataloge behutsam auf dem Tischrand ab und tippt den Jungen im weißen Hemd auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. «Ahmed, blättern Sie das hier doch bei Gelegenheit einmal durch und überlegen Sie, ob etwas darin Sie so interessiert, dass Sie’s mit mir erörtern möchten. Noch können Sie sich anders entscheiden.»
    Der Junge nimmt die Berührung wahr und reagiert. «Hier steht etwas Interessantes, Mr. Levy.»
    «Nämlich?» Nachdem er die Mutter kennen gelernt hat, fühlt er sich dem Jungen näher und kann leichter auf ihn eingehen.
    «Eine typische Frage, die sie einem stellen werden.»
    Levy schaut Ahmed über die Schulter und liest:
     
    55. Sie fahren einen Tanklaster und die Vorderräder beginnen zu schlittern. Was ist die wahrscheinlichste Folge?
    a. Sie steuern so weit dagegen wie notwendig, um die Kontrolle zu behalten.
    b. Durch das Schwappen des Tankinhalts wird der Auflieger auf Kurs gehalten.
    c. Durch das Schwappen des Tankinhalts wird die Zugmaschine auf Kurs gehalten.
    d. Sie rollen in gerader Linie weiter vorwärts, egal wie stark Sie gegensteuern.
     
    «Klingt nach einer ziemlich üblen Situation», räumt Levy ein.
    «Welche Antwort ist Ihrer Meinung nach die richtige?»
    Ahmed hat ihn herankommen gespürt, dann die dreiste, vergiftende Berührung seiner Schulter. Nun nimmt er wahr, dass sich seinem Kopf zu nah der Bauch des Mannes befindet und dass davon neben Wärme ein Geruch ausgeht, mehrere Gerüche sogar, ein Gemisch aus Schweiß und Alkohol, Jüdischem und Gottlosem, ein intensiver, unreiner Mief, den das Gespräch mit Ahmeds Mutter hervorgebracht hat, mit dieser Mutter, die ihm peinlich ist, die er zu verbergen, für sich zu behalten versucht. Die beiden erwachsenen Stimmen nebenan hatten sich widerwärtig flirtend miteinander verflochten; zwei alternde ungläubige Tiere, die sich füreinander erwärmten. Nachdem Mr. Levy mit dem unermüdlichen Gequatsche von Ahmeds Mutter überschüttet worden ist, mit ihrem unersättlichen Bedürfnis, aller Welt ihr sentimentales Bild von sich aufzudrängen, fühlt er sich nun berechtigt, ihrem Sohn gegenüber den väterlichen Freund zu spielen. Mitleid und Anmaßung haben diese unziemliche, übel riechende Nähe herbeigeführt. Doch der Koran drängt die Gläubigen zu Höflichkeit; dieser Jude, obwohl ein Eindringling, ist zu Gast in Ahmeds Zelt.
    «Ich weiß nicht recht, mein Lieber», sagt der Eindringling. «Mit schwappenden Flüssigkeiten habe ich es eher selten zu tun. Ich tippe mal auf ‹a›, gegensteuern.»
    In ruhigem Ton, der den Anflug von innerem Triumph kaschiert, entgegnet Ahmed: «Nein, ‹d› ist die richtige Antwort. Ich hab’s in der Antwortenliste nachgeschlagen, die sie einem mitschicken.»
    Der Bauch nah an seinem Ohr gibt ein beunruhigtes Rumpeln von sich, und das Gesicht darüber, das Ahmed nicht sieht, grunzt. «Uff. Steuern bringt also nichts. So etwas Ähnliches hat Ihre Mutter gerade auch zu mir gesagt. Entspannen. Dem eigenen Wohlgefühl vertrauen.»
    «Nach einer Weile», erklärt ihm Ahmed, «verliert der Laster von selbst an Fahrt.»
    «Allahs Wille», sagt Mr. Levy; er versucht, witzig zu sein, oder

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