Terrorist
deren großem, mit langen, hellen Jalousien undurchsichtig gemachtem Fenster BARGELD GEGEN SCHECKS – minimale Gebühren zu lesen steht. Eine schmale Treppe führt zum al-masjid al-’jami hinauf, dem Ort, wo man sich niederwirft, der Gebetshalle. Die Treppe, die grüne Tür haben Ahmed Angst eingeflößt, als er die ersten Male herkam, vage auf der Suche, nachdem er die schwarzen Jungen seiner Umgebung von ihren Moscheen, ihren Predigern hatte schwatzen hören. Andere Jungen wurden Chorknaben oder schlossen sich den Pfadfindern an – er hatte sich gedacht, vielleicht könne er in dieser Religion den gut aussehenden Vater finden, der in dem Moment, mit dem seine Erinnerungen einsetzen, versehwunden war. Ahmeds flatterhafte Mutter, die nie zur Messe ging und über die Vorschriften ihrer Religion klagte, war so nett, ihn die ersten Male zu dieser Moschee zu fahren. Der große, nun dem Gebet geweihte Raum war einmal ein Tanzstudio, und das Büro des Imam befindet sich in dem Zimmer, in dem die Stepp- und Gesellschaftstanzschüler – wenn sie Kinder waren, in Begleitung von Müttern oder Vätern – auf ihre Unterrichtsstunden warteten. Zwar sind die Räumlichkeiten im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts gepachtet und umgewandelt worden, aber Ahmed meint, in der stickigen Atmosphäre noch immer den Nachhall von Klaviergeklimper und den Dunst linkischer, profaner Anstrengungen wahrzunehmen. Die abgetretenen, welligen Dielen, auf denen so viele bemühte Schritte geübt wurden, sind nun mit großen orientalischen Teppichen ausgelegt, einer über dem anderen, die ihrerseits allmählich Anzeichen von Verschleiß aufweisen.
Ein Hausmeister, ein verhutzelter älterer Libanese mit krummem Rücken und einem lahmen Bein, saugt die Teppiche und hält das Büro des Imam sowie den Kinderhüteraum in Ordnung, der eingerichtet wurde, um westlichen Babysitting-Gepflogenheiten zu genügen; die Fenster jedoch, so hoch, dass sie jeden Einblick, sei es auf Tanzende oder Betende, ausschließen, sind für den verkrüppelten Hausmeister unerreichbar und trüb von alten Schmutzschichten. Allenfalls Wolken kann man durch sie wahrnehmen, und auch die nur verschleiert. Selbst am freitäglichen ş al ā t alJum’a, an dem vom minbar aus gepredigt wird, ist die Gebetshalle nicht gefüllt, während sich in den blühenden modernistischen Moscheen von Harlem und Jersey City neue Immigranten aus Ägypten, Jordanien, Malaysia und den Philippinen drängen. Die Black Muslims von New Prospect und die Anhänger der von ihnen abgespaltenen Nation of Islam halten sich an ihre eigenen Andachtsorte in Lofts und Ladenlokalen. Scheich Rashids Hoffnung, in einem seiner Räume in der zweiten Etage eine kuttah einrichten zu können, in der Scharen von Kindern im Grundschulalter Koranunterricht erteilt werden soll, harrt ihrer Verwirklichung. Vor sieben Jahren hat Ahmed als Elfjähriger gemeinsam mit vielleicht acht anderen Jungen im Alter zwischen neun und dreizehn die ersten Unterrichtstunden genommen, und nun ist er der einzige verbliebene Schüler. Er ist allein mit seinem Lehrer, dessen leise Stimme ohnehin einer kleinen Zuhörerschaft am ehesten gemäß ist. Ahmed fühlt sich bei seinem Meister nicht wirklich wohl, verehrt ihn jedoch als denjenigen, der ihm die Lehren des Koran und der Hadith vermittelt.
Seit sieben Jahren kommt Ahmed zweimal in der Woche für anderthalb Stunden hierher, um die Sprache des Koran zu erlernen, doch in der übrigen Zeit mangelt es ihm an Gelegenheit, sich im klassischen Arabisch zu üben. Die gehobene Sprache, al-lugha al-fush ā , mit ihren kehligen Silben und den punktierten emphatischen Konsonanten will ihm noch schwer von der Zunge und verwirrt seine Augen: Die kursive Druckschrift mit dem Gesprenkel diakritischer Zeichen erscheint ihm winzig, und um von rechts nach links zu lesen, muss er im Kopf noch immer umschalten. Im Laufe der Lektionen, bei denen sie langsam, unter Wiederholungen, Rekapitulationen und Erörterungen von Feinheiten, im heiligen Text voranschreiten, hat Scheich Rashid seine Vorliebe für die kürzeren Suren aus der frühen Mekka-Periode offenbart, die poetisch, intensiv und kryptisch sind im Vergleich zu den prosaischen Passagen in der ersten Hälfte des Buches, aus der Zeit, in der sich der Prophet anschickte, Medina mit Gesetzen und weltlichen Ratschlägen zu regieren.
Heute sagt der Lehrer: «Wenden wir uns ‹Dem Elefanten› zu, Sure einhundertfünf.» Da Scheich Rashid nicht das
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