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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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erschrocken. So unerschütterlich sie auch erscheinen möchte, sie gerät leicht ins Schleudern, diese Frau, die einen Mann geheiratet hat, den ihr irischer Vater und ihre irischen Brüder sicher als Nigger bezeichnet haben. Keine Mutter, die sichere Parolen ausgibt; eher eine, die ihren Sohn entscheiden lässt.
    «Ach, etwas aus längst vergangenen Zeiten – eine Serie von Zeichentrickfilmen. Sie können sich daran natürlich nicht erinnern, dafür sind Sie zu jung. Wenn man uralt ist, erinnert man sich an Dinge, von denen sonst keiner mehr etwas weiß.»
    «So alt sind Sie doch gar nicht», sagt sie unwillkürlich. Innerlich schwenkt sie in eine neue Richtung. «Könnte sein, dass ich ein paar davon gesehen habe, als Ahmed noch klein war und ich mit ihm viel ferngesehen habe.» Wieder wechselt sie innerlich die Spur. »Omar Ashmawy war ein gut aussehender Mann. Ich fand, er sah wie Omar Sharif aus. Haben Sie ihn in Doktor Schiwago gesehen?»
    «Nur in Funny Girl. Und den habe ich mir wegen Barbra Streisand angesehen.»
    «Natürlich.» Sie lächelt, und unter der kurzen Oberlippe kommen unvollkommene irische Zähne zum Vorschein, unregelmäßig und ein bisschen vorstehend. Jack und sie haben ein Stadium erreicht, in dem alles, was einer von ihnen sagt, dem anderen behagt; ihre Sinne sind hellwach. Da sitzt sie mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem hohen, unlackierten Hocker und streckt sich, dehnt den Hals und versetzt ihren Rücken in eine langsame Wellenbewegung, wie um eine Verspannung loszuwerden, die sie sich beim Stehen an der Staffelei zugezogen hat. Wie ernst kann es ihr mit der Arbeit an diesem Zeug sein? Wenn sie wollte, könnte sie am Tag drei davon raushauen, schätzt Jack.
    «Was, so gut sah er aus? Hat Ihr Sohn –»
    Aber sie spinnt ihren eigenen Faden weiter: «Und ein phantastischer internationaler Bridgespieler ist er auch.»
    «Wer? Mr. Ashmawy?», fragt Jack, obwohl er natürlich weiß, wen sie meint.
    «Nein, Sie Dummerchen, der andere. Sharif.»
    «Was ich ihn beinahe gefragt hätte: Hat Ihr Sohn ein Bild von seinem Vater in seinem Zimmer?»
    «Was ich gerade sagen wollte, Sie müssen Gedanken lesen können. Erst in diesem Jahr hat Ahmed die Fotos von seinem Vater, die er in seinem Zimmer hatte, abgehängt und in eine Schublade gelegt, mit dem Gesicht nach unten. Das Bild eines Menschen, den Gott geschaffen hat, zu vervielfältigen, sei Frevel, hat er mir erklärt – eine Form von Fälschung, Betrug wie die Prada-Taschen, die auf der Straße verhökert werden. Die Intuition sagt mir, dass dieser Hund von Lehrer an der Moschee ihn dazu aufgehetzt hat.»
    «Da wir gerade von Terriern geredet haben», wirft Jack Levy rasch ein. Vor vierzig Jahren hat er sich für geistreich gehalten, für schlagfertig. Er hat sogar davon geträumt, sich dem Gagschreiber-Team eines der jüdischen Fernsehkomiker anzuschließen. In seiner Gruppe am College galt er als Witzbold, immer für eine Pointe gut.
    «Inwiefern ist er ein Hund? Warum?»
    Mit den Händen und den Augen bedeutet sie ihm, dass Ahmed im Nebenzimmer lauschen könnte, während er so tut, als lerne er. Sie senkt die Stimme, sodass Jack einen Schritt näher kommen muss. «Von ihren Sitzungen kommt Ahmed oft ganz verstört zurück», sagt sie. «Ich glaube, der Mann – ich bin ihm schon begegnet, sehr flüchtig allerdings – bekundet nicht genügend Gewissheit, und damit kann Ahmed sich nicht abfinden. Ich weiß, mein Sohn ist achtzehn und sollte so naiv eigentlich nicht mehr sein, aber er erwartet von Erwachsenen immer noch, dass sie absolut aufrichtig und sich ihrer Sache gewiss sind.»
    Wie sie «mein Sohn» sagt, gefällt Levy. Er nimmt hier mehr fürsorgliche Umsicht wahr, als er nach seinem Gespräch mit Ahmed erwartet hatte. Teresa mag zwar eine dieser alleinstehenden Frauen sein, die frech versuchen, auf Kosten anderer zu leben, aber sie hat auch etwas Hausmütterliches. «Ob er ein Foto von seinem Vater besitzt, hat mich darum interessiert», verrät er ihr in einem konspirativ gedämpften Ton, «weil ich mich gefragt habe, ob seine … Gläubigkeit nicht vielleicht mit klassischer Überschätzung zusammenhängt. In, nun ja, in schwarzen Familien» – warum musste er nur immer darauf herumreiten? – «sieht man das oft, dass die Kinder den abwesenden Vater idealisieren und ihre ganze Wut an der armen Mama auslassen, die sich Arme und Beine ausreißt, um ihnen das Dach über dem Kopf zu sichern.»
    Teresa Mulloy ist gekränkt; sie

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