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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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und ‹Konsumkultur› steht, nur roch das immer noch zu sehr nach Hund-frisst-Hund, nach allzu vielen Verlierern und maßlos abrahmenden Gewinnern. Wenn man die Hunde aber sich nicht miteinander balgen lässt, dann liegen sie den ganzen Tag im Zwinger und pennen. Im Grund besteht das Problem darin, dass die Gesellschaft anständig zu sein versucht, und mit Anstand ist gegen die menschliche Natur nichts auszurichten. Nicht das Geringste. Wir sollten alle wieder Jäger und Sammler werden, dann hätten wir eine hundertprozentige Beschäftigungsquote und ein gesundes Magenknurren.»
    Später kam Jack deprimiert nach Hause, weil die unlösbaren Probleme ihn allmählich langweilten und weil es zur Routine wurde, so zu tun, als könnte er sie lösen – zur Nummer, zum bloßen Job, zum Schwindel. «Was mich wirklich runterzieht», sagte er oft, «ist, dass sie sich weigern, zu begreifen, wie schlecht sie dran sind. Sie finden, es geht ihnen ganz toll, wo sie doch irgendwelche schrillen neuen Klamotten haben, zum halben Preis gekauft, oder das allerneuste obergewalttätige Computerspiel oder eine neue heiße CD, die jeder haben muss, oder irgendeine lächerliche neue Religion, nachdem sie ihr Gehirn mit Drogen in die Steinzeit zurückgeknallt haben. Da fragt man sich ernstlich, ob Menschen es überhaupt verdienen zu leben – ob nicht die Drahtzieher der Massaker in Ruanda, im Sudan und im Irak auf der richtigen Spur sind.»
    Und indem Beth es zuließ, dass sie fett wurde, hat sie sich disqualifiziert als Frau, die ihn so aufmuntern kann, wie sie es früher einmal konnte. Er würde das nie aussprechen. Er würde nie taktlos sein. Sie fragt sich, ob dies das Jüdische an ihm ist – die Sensibilität, der tiefe Grundton, ein gewisses «Noblesse oblige», das ihn drängt, seinen Schmerz nach Kräften für sich zu behalten, früh aufzustehen und zum Fenster zu gehen, statt sie damit zu wecken, indem er im Bett bleibt. Sie haben ein gutes gemeinsames Leben gehabt, befindet Beth und hievt sich von dem Shakerstuhl mit der winzigen, harten Sitzfläche hoch, indem sie eine Hand auf die Rückenlehne stützt, vorsichtig, damit ihr Gewicht den Stuhl nicht zum Kippen bringt. Das wäre vielleicht ein schöner Anblick, sie mit gebrochenem Becken und gespreizten Beinen auf dem Fußboden und nicht einmal imstande, hinunterzufassen und ihren Bademantel zu schließen, bevor die Sanitäter kommen.
    Sie muss aus ihrem Bademantel raus und einkaufen gehen. Die notwendigsten Dinge werden knapp – Seife, Waschmittel, Papierhandtücher, Toilettenpapier, Mayonnaise. Cookies und Knabberzeug. Sie kann Jack nicht auch noch bitten, das alles einzukaufen, wo er doch bereits die Mikrowellengerichte bei ShopRite besorgt oder Essen vom Chinesen mitbringt, wenn sie bis sechs in der Bibliothek Dienst hat. Und Katzenfutter. Wo ist Carmela überhaupt? Sie wird nicht genug gestreichelt, schläft den ganzen Tag depressiv unter dem Sofa und saust dann nachts wie wild umher. In einer Hinsicht war’s nicht richtig, ihr die Tuben durchtrennen zu lassen, aber wenn man’s nicht tut, kommen Kätzchen ohne Ende.
    Sie und Jack haben beide ein gutes Leben gehabt, sagt sie sich; sie konnten ihren Unterhalt mit dem Kugelschreiber in der Hand verdienen – jetzt mit dem Tippen auf Computertasten – und indem sie freundlich und hilfsbereit zu den Leuten waren. Das war mehr, als Amerikanern früher gegönnt gewesen war, die in den Fabriken von New Prospect oder Philly geschuftet hatten, als in solchen Städten noch etwas hergestellt wurde; die Leute fürchten sich vor den Arabern, dabei sind es die Japaner, Chinesen, Mexikaner, die Guatemalteken und andere in Niedriglohnregionen, die uns fertig machen, die unseren Werktätigen die Arbeit nehmen. Da kommen wir in dieses Land hier, sperren die Indianer in Reservate, erbauen Wolkenkratzer und Superschnellstraßen, und dann wollen alle ein Stück von unseren Binnenmärkten abhaben – wie die Haie, die in dieser Hemingway-Story über den Wal herfallen … nein, das war ein Marlin. Egal, das Bild bleibt gleich. Und Hermione hat ebenfalls Glück gehabt, hat einen wichtigen Job bei einer der Schlüsselfiguren in der Regierung an Land gezogen, bloß ihr ewiges Getue um ihren Chef ist doch zu lachhaft – wenn man sie so hört, könnte man meinen, er sei der Retter von uns allen. Diese altjüngferliche Mentalität kommt durch den Hormonstau zustande, wie bei den Nonnen und Priestern, die sich als grausam und lüstern herausstellen

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