Terrorist
Gegenwart sind die Helden des islamischen Widerstands gegen den großen Satan ehemalige Arzte und Ingenieure, beschlagen im Umgang mit technischen Geräten wie Computern, Flugzeugen und Bomben am Straßenrand. Im Gegensatz zum Christentum fürchtet der Islam die wissenschaftliche Wahrheit nicht. Allah hat die physische Welt geschaffen, und alle in ihr verborgenen Pläne und Entwürfe sind, wenn man sie zu heiligen Zwecken gebraucht, heilig. Unter solchen Überlegungen nahm Ahmed seinen Lkw-Führerschein entgegen. Für den C-Schein wurde eine praktische Prüfung auf der Straße nicht gefordert.
Scheich Rashid ist erfreut. «Der Augenschein kann täuschen», erklärt er Ahmed. «Unsere Moschee wirkt zwar, wie ich wohl weiß, auf jugendliche Blicke schäbig und äußerlich verschlissen, sie ist jedoch aus starken Fäden geknüpft und auf Wahrheiten gegründet, die tief in den Herzen von Männern verankert sind. Die Moschee besitzt Freunde – Freunde, deren Macht ihrer Frömmigkeit nicht nachsteht. Erst kürzlich hat mich das Oberhaupt der Familie Chehab wissen lassen, dass sein prosperierendes Unternehmen einen jungen Lastwagenfahrer sucht, der keinen unreinen Gewohnheiten frönt und in unserem Glauben gefestigt ist.»
«Ich habe ja nur den C-Schein», sagt Ahmed und weicht einen Schritt vor dem zurück, was er als allzu leichten und raschen Eintritt in die Erwachsenenwelt empfindet. «Ich darf nicht außerhalb des Bundesstaats fahren und keine gefährlichen Ladungen transportieren.»
In den Wochen seit dem Schulabschluss hat er es genossen, in halbem Müßiggang bei seiner Mutter zu leben, zu wechselnden Zeiten für ein paar grell beleuchtete Stunden bei Shop-a-Sec zu arbeiten und gewissenhaft seine täglichen Gebete zu verrichten. Hin und wieder hat er sich ins Kino gewagt, hat den Aufwand, den Verbrauch an Munition, den man sich in Hollywood leistet, und die Schönheit der Explosionen dort bewundert und ist in seinen alten Laufshorts durch die Straßen gerannt, manchmal bis in die Reihenhausgegend, durch die er an jenem Sonntagmittag mit Joryleen gegangen ist. Er bekommt sie nie zu sehen, nur Mädchen von ähnlicher Hautfarbe, die, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden, so daherschlendern wie sie. Während er durch die heruntergekommenen Straßen flitzt, erinnert er sieh an Mr. Levys unbestimmtes Gerede von einem Collegestudium und dessen nebulösem, aber imposantem Gegenstand, «Naturwissenschaft, Kunst, Geschichte». Tatsächlich ist der Beratungslehrer noch ein-, zweimal zu ihnen in die Wohnung gekommen und war dann zwar zu Ahmed durchaus freundlich, ging jedoch jedes Mal rasch wieder, als wüsste er nicht mehr, warum er gekommen war. Ohne sonderlich auf das zu achten, was ihm geantwortet wurde, hatte er Ahmed gefragt, wie es um seine Pläne stehe und ob er vorhabe, in der Gegend zu bleiben oder aufzubrechen und sich die Welt anzusehen, wie es sich für einen jungen Mann gehöre. Was sonderbar klang, zumal aus dem Mund von Mr. Levy, der sein ganzes Leben in New Prospect verbracht hat, mit Ausnahme seiner Collegezeit und dem Militärdienst, der für amerikanische Männer früher einmal Pflicht war. Obwohl damals der zum Scheitern verurteilte amerikanische Krieg gegen die vietnamesische Selbstbestimmung im Gange war, wurde Mr. Levy nie außerhalb der USA eingesetzt und hatte immer nur Bürojobs, was sein Gewissen belastet, denn wenn der Krieg auch ein Irrtum war, bot er doch die Chance, Mut und die Liebe zum eigenen Land zu beweisen. Das weiß Ahmed, weil seine Mutter manchmal mit ihm über Mr. Levy spricht – was für ein netter Mann er anscheinend sei, wenn auch kein sehr glücklicher: Von der Schulverwaltung werde er zu wenig gewürdigt, und seiner Frau und seinem Sohn bedeute er nicht mehr viel. Ahmeds Mutter ist in letzter Zeit ungewöhnlich gesprächig und neugierig; sie nimmt an Ahmeds Leben mehr Anteil, als er bisher erwarten konnte, fragt ihn jedes Mal, wenn er ausgeht, wann er zurückkommen will, und wird manchmal ärgerlich, wenn er «Ach, irgendwann» erwidert.
«Und wann genau wird das bitte sein?»
«Mutter! Lass mich doch mal in Frieden. Ziemlich bald. Kann sein, dass ich noch ein bisschen in der Bibliothek rumstöbere.»
«Möchtest du vielleicht ein bisschen Geld fürs Kino?»
«Ich habe Geld, und ich hab mir gerade ein paar Filme angesehen, einen mit Tom Cruise und einen mit Matt Dämon. In beiden ging’s um Berufskiller. Scheich Rashid hat schon Recht – Filme sind sündhaft und
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