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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Abschlussfeier an Central High bestand Ahmed an der Prüfstelle in Wayne die Prüfung für den Gewerbeführerschein. Seine Mutter, die ihm in so mancher Hinsicht gestattet hatte, sich selbst zu erziehen, begleitete ihn in dem verbeulten kastanienbraunen Subaru Station Wagon, mit dem sie zum Krankenhaus fuhr, ihre Bilder in den Geschenkladen in Ridgewood und zu anderen Ausstellungsorten, die ihr zugänglich waren, transportierte, darunter Amateurausstellungen in Kirchen und Schulaulen. Die unteren Ränder der Karosserie sind vom Streusalz vieler Winter angefressen, und ihr unbekümmerter Fahrstil und die hastig geöffneten Türen anderer Autos auf Parkplätzen und in Hochgaragen haben an den Seiten und an den Kotflügeln Spuren hinterlassen. Den rechten vorderen Kotflügel, Opfer eines Missverständnisses an einer mit Stoppschildern versehenen Kreuzung, hat notdürftig einer ihrer Freunde zu rechtgespachtelt, ein erheblich jüngerer Mann, der Schrottskulpturen zusammenbastelte und nach Tubac, Arizona, gezogen war, bevor er dazu kam, die Delle glatt zu schleifen und zu lackieren. Also ist sie rau, uneben und Spachtelmassenfarben geblieben, und an anderen Stellen, vor allem auf der Motorhaube und auf dem Dach, ist der jeder Witterung im Freien ausgesetzte kastanienbraune Lack zu einem Pfirsichton verblichen. Wie Ahmed es sieht, möchte seine Mutter offenbar ihre Armut zur Schau tragen, ihr alltägliches Versagen vor der Aufgabe, in der Mittelschicht aufzugehen, als wäre ein solches Versagen unabdingbar für ein Künstlerleben und die individuelle Freiheit, die ungläubigen Amerikanern so kostbar ist. Mit ihren unzähligen Armreifen, den Wohlstandssymbolen einer bestimmten Boheme, und ihrer kuriosen Kleidung – wie die vom Hersteller bekleckst gelieferten Jeans und die lila eingefärbte Lederweste, die sie an diesem Tag trägt – gelingt es ihr unfehlbar, Ahmed in Verlegenheit zu bringen, wann immer sie sieh zusammen in die Öffentlichkeit wagen.
    An jenem Tag in Wayne hat sie mit dem älteren Mann, diesem erbärmlichen Lakai des Staates, der die Prüfung abnahm, geflirtet. Sie hat gesagt: «Ich hab keine Ahnung, warum er meint, er würde gern Laster fahren. Die Idee hat ihm sein Imam in den Kopf gesetzt – nicht seine Mama, sein Imam. Das liebe Kind bezeichnet sich nämlich als Moslem.»
    Den Mann hinter dem Sehreibtisch im regionalen Dienstleistungszentrum des Kraftfahrzeugverbands in Wayne schien dieser Schwall von mütterlichem Bekenntnisdrang zu verwirren; er dachte erst einmal nach. «Kann einer schon regelmäßig sein Geld damit verdienen», brachte er schließlich heraus.
    Ahmed merkte, dass dem Staatsdiener Worte schwer über die Lippen kamen, dass er das Gefühl hatte, seinen inneren Vorrat an einem kostbaren, knappen Rohstoff zu vergeuden. So geduckt, wie er da unter seinen flackernden Leuchtröhren an seinem Schreibtisch hockte, nahm sich sein perspektivisch verkürztes Gesicht auf schwer bestimmbare Weise entstellt aus, als sei es einmal von einer heftigen Empfindung aufgewühlt worden und dann erstarrt. Und einen so hoffnungslosen Trottel überschüttete Ahmeds Mutter mit ihren neckischen Zuwendungen, auf Kosten der Würde ihres Sohnes! In sein Spinnennetz von Verordnungen verstrickt, bekam dieser scheintote Typ nicht mit, dass Ahmed wohl alt genug war, den Führerschein Klasse C CDL zu beantragen, jedoch noch nicht ganz Manns genug, seine Mutter zu verleugnen. Zu dem Kerl drang gerade noch durch, dass sich die Frau ungebührlich verhielt und ihn möglicherweise verspottete, und daher schnappte er sich aus der Hand des Antragstellers den ausgefüllten Fragebogen zu dessen körperlichem Zustand und ließ Ahmed den Kopf in einen Kasten stecken, der von ihm verlangte, mit jeweils einem Auge Buchstaben in wechselnden Farben zu lesen und Rot von Grün sowie beide von Gelb zu unterscheiden. Die Maschine maß Ahmeds Tauglichkeit, eine andere Maschine zu lenken, und der Mann, der den Test überwachte, litt vor Ingrimm an einem anhaltenden Starrkrampf, denn der Job, den er Tag für Tag machte, hatte ihn seinerseits in eine Maschine verwandelt, in ein leicht zu ersetzendes Teil im Räderwerk des gnadenlosen, materialistischen Westens. Nur dank dem Islam, hatte Scheich Rashid des Öfteren ausgeführt, waren die Kenntnisse der Griechen in Naturwissenschaft und simpler Mechanik erhalten geblieben, während das gesamte christliche Europa jener Zeit, barbarisch, wie es war, alles vergessen hatte. In der Welt der

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