Terrorist
sind darauf aus, uns zum Anhalten zu zwingen. Überall, egal wo – sie brauchen nur eine kleine Bombe, ein paar Gewehre. Eine offene Gesellschaft ist so wehrlos. Alle Errungenschaften der modernen Welt sind so zerbrechlich.»
Nur Hermione nennt sie noch immer Betty, und auch sie nur dann, wenn sie gekränkt ist. Jack und ihre Freundinnen am College nannten sie Beth, und nachdem sie geheiratet hatte, versuchten sogar ihre Eltern, sich umzustellen. Um die kleine Panne vergessen zu machen, schmeichelt Hermione ihr, versucht, Beth mit ihrer Schwärmerei für den Minister anzustecken. «Er und die Fachleute, die wir haben, sind Tag und Nacht bemüht, die schlimmsten denkbaren Szenarien durchzuspielen. Zum Beispiel Computer, Beth. Wir haben sie so in unser System integriert, dass jeder davon abhängig ist, nicht bloß Bibliotheken, sondern die Industrie, die Banken, die Brokerhäuser, die Fluggesellschaften, die Atomkraftwerke – ich könnte endlos weiter aufzählen.»
«Zweifellos.»
Die sarkastische Note entgeht Hermione völlig. «Es könnte sich etwas ereignen, das sie Cyberangriff nennen. Es gibt da diese Würmer, die an Firewalls vorbeikommen und Applets, so heißen die, einschleusen, die dann verdeckte Rückmeldungen senden, in denen das Netz, das sie geknackt haben, beschrieben ist, und damit alles lähmen, die so genannten Routingtabellen durcheinander bringen und die Gatewayprotokolle umgehen, sodass nicht bloß die Börse und die Verkehrsampeln ausfallen, sondern alles – die Stromversorgung, die Krankenhäuser, sogar das Internet selber, kannst du dir das ausmalen? Die Würmer wären so programmiert, dass sie sich immer weiter verbreiten, bis sogar der Fernseher, vor dem du eben noch gesessen hast, den Geist aufgibt oder auf sämtlichen Kanälen bloß noch Osama bin Laden zeigt.»
«Herm, mein Sehatz, ‹den Geist aufgeben› habe ich seit Philadelphia nicht mehr gehört! Werden denn diese Würmer und Viren nicht ständig verschickt, und dann stellt sich heraus, dass die Quelle irgendein armer, einsamer Teenager ist, der in Bangkok oder in der Bronx in seiner verlotterten Bude hockt? Für eine Weile richten solche Typen vielleicht ein bisschen Durcheinander an, aber die Welt bricht ihretwegen nicht zusammen. Irgendwann werden sie geschnappt und landen im Gefängnis. Du vergisst die vielen schlauen Männer und auch Frauen, die diese Firewalls oder was immer entwickeln. Bestimmt können sie auch weiter einen Vorsprung vor ein paar fanatischen Arabern halten – schließlich haben den Computer wir erfunden, nicht die.»
«Nein, aber sie haben die Null erfunden, wie du wahrscheinlich weißt. Sie brauchen den Computer nicht zu erfinden, um uns damit auszulöschen. Das nennt der Minister Cyberkrieg. Und in dem befinden wir uns, im Cyberkrieg, ob’s dir nun gefällt oder nicht. Die Würmer wuseln bereits überall umher; täglich muss der Minister Hunderte von Berichten prüfen, die ihn über Angriffe informieren.»
«Über Cyberangriffe.»
«Genau. Du findest so etwas lustig, das höre ich dir an, aber da irrst du dich. Es ist todernst, Betty.»
Der Shakerstuhl setzt Beth allmählich zu; sie müssen körperlich anders gebaut gewesen sein, die Quaker und Puritaner von einst, müssen anders über Bequemlichkeit gedacht, andere Bedürfnisse gehabt haben. «Nein, ich finde es nicht lustig, Herm. Natürlich können sehr schlimme Dinge passieren, und einige sind bereits passiert, aber –» Sie weiß nicht mehr, was auf das «Aber» folgen sollte. Es geht ihr durch den Sinn, mit dem schnurlosen Telefon in die Küche zu gehen und in die Cookie-Schublade zu greifen. Die Konsistenz von Cookies dieser Sorte mag sie ganz besonders; sie werden nur in einem einzigen altmodischen Eckladen an der Eleventh Street verkauft. Jack besorgt sie ihr dort. Sie fragt sich, wann Jack wohl heimkommen wird; seine Nachhilfestunden scheinen in letzter Zeit länger zu dauern als früher. «Aber meines Wissens hat es in der letzten Zeit nicht besonders viele Cyberangriffe gegeben.»
«Nun, dafür solltest du dem Minister danken. Sogar mitten in der Nacht gehen ihm Berichte zu. Es macht ihn alt, das muss ich ehrlich sagen. Er bekommt schon weiße Haare über den Ohren und Ringe unter den Augen. Ich fühle mich da so hilflos.»
«Hermione, hat er nicht eine Frau? Und x Kinder? Ich hab sie in der Zeitung gesehen, alle zusammen unterwegs zum Ostergottesdienst.»
«Natürlich hat er Familie. Das weiß ich. Ich kenne meinen Status. Unsere
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