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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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und offenbar, nach ihrem Handeln zu urteilen, überhaupt nicht an das glauben, was sie predigen, sondern arme, vertrauensselige Kinder missbrauchen, die sich bemühen, gute Katholiken zu sein. Jedenfalls ist es normal für eine Frau, zu heiraten und zu erfahren, wie Männer nun mal sind, wie sie riechen und sich verhalten: Das hilft gegen Frustrationen und treibt einem die albernen romantischen Ideen aus. Schon auf dem Weg zur Treppe und zum Schlafzimmer, um sich zum Ausgehen herzurichten (nur was soll sie anziehen? Das ist das Problem; fünfundvierzig überzählige Kilos lassen sich durch nichts kaschieren, es gibt nichts, was sie auf der Straße wieder schick aussehen ließe), denkt Beth, auch wenn sie gerade zu Mittag gegessen hat, hätte sie nicht übel Lust, in der Küche nachzuschauen, ob’s nicht im Kühlschrank etwas zu knabbern gibt, und wie um diesen Impuls zu unterdrücken, lässt sie sich wieder in den La-ZBoy-Sessel plumpsen und hebt die Fußstütze an, damit das Pochen in ihren Fußgelenken abklingt. Odematös, sagt der Arzt dazu, dabei konnte Jack einmal Daumen und Mittelfinger um ihre Fußgelenke schließen. Kaum sitzt sie wieder, merkt sie, dass sie pinkeln muss. Nun ja, wenn man so ein Bedürfnis ignoriert, vergeht es, das weiß sie aus langer Erfahrung.
    Wo ist denn die Fernbedienung hingeraten? Beth hat sie aufgehoben und das Fernsehen damit abgestellt, aber alles Weitere ist ihr glatt entfallen. Erschreckend, wie oft sie sich nicht erinnert. Sie schaut auf beiden Sessellehnen nach, späht dann angestrengt über die Lehnen hinunter auf den blassgrünen Teppich, den ihr der Mann aufgeschwatzt hat, und denkt dabei zum zweiten Mal an diesem Tag an Miss Dimitrova und ihre Streckübungen. Das Ding muss auf einer der Seitenlehnen gelegen haben und dann in die Ritze neben dem Sitzpolster geglitten sein, als sie sich einfach hier hat hineinfallen lassen, statt hinaufzugehen und sich anzuziehen. Mit den Fingern der rechten Hand sondiert Beth die enge Ritze, fühlt den Vinylbezug, der eine Kuhhaut aus dem Wilden Westen von einst imitiert, der wahrscheinlich, wenn man darin lebte, so toll nicht war, und dann tun die Finger ihrer linken Hand das Gleiche in der Ritze auf der anderen Seite und stoßen tatsächlich darauf – auf die kühle, mattierte Kante der Fernbedienung. Alles ginge ja viel leichter, wenn Beth’ Körper nicht so sehr im Weg wäre und das Polster so eng an die Seitenlehne presste, dass Beth sich in Acht nehmen muss, um nicht mit einem Fingernagel an einer Naht oder an etwas Metallischem hängen zu bleiben. Haarnadeln und Münzen sammeln sich in solchen Ritzen an, selbst Näh- und Stecknadeln. Beth’ Mutter hatte immer irgendetwas genäht oder gestopft in dem alten karierten Polstersessel mit den bis zum Boden reichenden Stoffschößen, der zu Hause am Fenster stand, damit sie lange Licht hatte und durch die getüpfelten Musselingardinen auf den breiten hölzernen Fenstersims mit dem Geranienkasten und dem Grün dahinter blicken konnte, das so üppig war, dass sich die feuchten Stellen bis zur Tagesmitte hielten. Beth richtet die Fernbedienung auf den Fernseher, klickt Kanal zwei, CBS, an, und langsam sammeln sich die heraufbeschworenen Elektronen, ergeben Töne und ein Bild. Die Hintergrundmusik von As the World Turns ist einen Tick orchestraler als der säuselnde Pop, der zu All My Children erklingt – Flöten und tiefe Saiteninstrumente inmitten der mehr geisterhaften Töne, einem Klopp-Klopp wie von Hufschlägen, die in der Ferne verklingen. Aus der aufgewühlten Musik und den Mienen des jungen Schauspielers und seiner Partnerin, die gerade geredet haben – sie ziehen die Brauen zusammen und machen wütende, ja verängstigte Gesichter –, kann Beth schließen, das sie soeben etwas höchst Bedeutsames, Lebensentscheidendes zueinander gesagt, sich auf einen Abschied oder Mord geeinigt haben, aber Beth hat es verpasst; sie hat den Wendepunkt im Lauf der Welt verpasst. Sie könnte heulen.
    Doch seltsam, wie das Leben ist: Die Rettung naht. Wie aus dem Nichts taucht Carmela auf und springt Beth auf den Schoß. «Ja, wo war sie denn, meine Kleiner», fragt Beth mit hoher, verzückter Stimme. «Mama hat dich ja so vermisst!» Eine Minute später jedoch schubst sie die Katze, die es sich schnurrend auf ihrem ausladenden, warmen Leib bequem machen will, ungeduldig hinunter und kämpft sich erneut aus dem La-Z-Boy hervor. Auf einmal gibt es so viele Dinge zu tun.
     
    Zwei Wochen nach der

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