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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Peters
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Wahnsinnigen.
     
    „Puhhh!“ sagte Julia nach zehn Minuten und blies langsam den Zigarettenrauch aus ihrem verschmierten Mund. Mit der Rechten wischte sie sich zwischen den Schenkeln sauber. Den Kittel wollte sie sowieso in einen DRK-Sack verschwinden lassen.
    „Dir gehen die Ideen wohl nie aus. Aber ich weiß tatsächlich nicht, wer Harvey ist“
    „Harvey, mein Täubchen, ist der Hersteller deines BHs, der über der Leine hier hängt. Das Etikett steht am rechten Träger.“ Sie antwortete, wobei sie wie eine Katze befriedigt lächelte, als habe sie eben eine Maus verspeist:
    „Wäre ich nie drauf gekommen. Aber ehrlich: Nach vier Jahren Ehe bist du im Erfinden solcher Stories immer noch Nummer eins! Kannst dir was drauf einbilden. Die Nummer letzte Woche mit dem Postboten war auch nicht schlecht.“
    Julia zog sich den BH an, der genauso zerrissen wie ihr Kittel war.
    „Und wer ist Nummer zwei?“ sagte Kurt grinsend, der sich ihre Zigarette auslieh und in den lächelnden Mund schob. Dabei zog er den Reißverschluss wieder zu.
    „Nummer zwei bis zweitausend wirst immer du sein. Aber heute hast du tatsächlich den Vogel abgeschossen!“
    „Ach, komm. Als Vogel kamst du mir tatsächlich nicht vor. Und den Overall muss ich jetzt in der Waschmaschine verschwinden lassen; ist mit Weiß völlig verschmiert.“
    Es klingelte. „Meine Güte, wer kann denn das sein? Vielleicht waren wir zu laut?“ meinte Julia. Mit einer fahrigen Bewegung ordnete sie das Haar und ging zur Tür.
    Draußen standen drei Polizisten. „n’ Abend“, grüßte der Dickste von allen und beäugte Kurt aus zusammengekniffenen Augen. „Sind Sie Kurt Flatow?“
    „Der bin ich“, sagte Kurt erstaunt. „Wissen Sie, wie spät es ist? Wir haben bald Mitternacht!“ Die Beamten rissen wie auf Kommando die Pistolen aus den Halftern und zielten auf ihn. Flatow ging automatisch in Deckung, als eine Kugel dicht an seiner Wange vorbeischoss.
    „Was ist hier los?!“ rief Julia fassungslos. Der zweite Polizist eröffnete auf ihren Mann das Feuer, der sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor den Kugeln rettete. Das Fenster war dicht über dem Innenhof, Kurt kam hart auf dem Pflaster auf.
    „Was um alles in der Welt wollt ihr von Kurt?“ hörte er seine Frau noch rufen, doch da war er bereits außer Reichweite der Corps. Beamter Nummer zwei schnauzte hastig: „Das Schwein hat drei Frauen auf dem Gewissen. Das wollen wir von Kurt!“
    Julia öffnete tonlos den Mund, mit den Händen umfasste sie ihre Kehle.
    „Rennt auf den Hof“, befahl der Dicke. „Geile Schweine müssen kastriert werden. Geile Schweine müssen geschlachtet werden.“ Jetzt endlich schrie Julia: „Ihr seid waahhhnsinnig!“ Der Dicke postierte sich am Fenster und zielte auf Flatow, der über den Hof lief. Dieser blickte sich ratlos um, trotzdem gelang es ihm, die morsche Hauswand zu erreichen, an der eine verrostete Leiter lehnte. Er setzte einen Fuß auf die erste Sprosse und zog das andere Bein nach. Die schweißnassen Hände ergriffen das Geländer und rutschten ab.
    „Hey, du! Gib auf!“ rief der jüngste der Polizisten.
    „Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt“, rief Kurt zurück. „Ich habe niemanden umgebracht!“
    „Das wissen wir besser“, brüllte der Dunkelhaarige. „Noch einen Schritt, und du bist erledigt.“
    Inzwischen hatten sich Dutzende von Gaffern auf den Balkonen versammelt. „Jaaa – schießt ihm alles ab“, rief eine junge Frau, die eine TV-Zeitschrift in der Hand hielt.
    „Keine Bange, der ist schon so gut wie tot“, meinte ein Bulle. Kurt hatte das obere Leiterende erreicht, doch da wurde er von zwei Beamten gepackt und mit dem Rücken zur Wand gedreht. Es gelang ihm unter Schreien, auf der Leiter zu bleiben. Mittlerweile hatte der Chef der drei die Szenerie erreicht und zog Kurt am rechten Schuh nach unten. Doch das nützte nichts. Die Männer fesselten Kurt mit Lederriemen an zwei verrosteten Haken, und nur mit Mühe konnten seine Füße den glitschigen Boden berühren.
    „Hört auf! Ich – ich bin doch kein Schwein, das man zum Schlachten aufhängt“, brüllte Flatow.
    „Doch, das bist du“, antwortete der Polizist und zog heftig an Kurts Beinen. Vom Balkon gegenüber hörten sie Julia: „Lasst ihn doch bitte um Gottes willen los. Er hat doch nichts getan.“
    Sie war einem Schreikrampf nah. Aber dann rannte sie so schnell es ihre Beine erlaubten, in den Hof, wo Kurt einen wahnwitzigen Tanz in der Luft vollführte. Die

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