Tessy 02: Tessy und die Lust des Mörders
Sitzgelegenheit etwas umständlich vor dem Schreibtisch und nahm in aller Gemütsruhe Platz.
„Legen Sie los“, forderte Carola sie auf. Sie hörte selbst, dass ihr Ton gereizt klang.
„Mir ist Material zugespielt worden“, begann die Detektivin zu berichten. „Entscheidendes Material. Ich kann jedoch nur deutlicher werden, wenn Sie mir zuvor verraten, wie Sie bei Ihren Ermittlungen auf Hugo Brandner gestoßen sind.“
Einen Augenblick lang dachte Carola, sie habe sich verhört. Sie machte den Mund auf, schloss ihn wieder und atmete zweimal tief durch. Dann beugte sie sich über den Tisch vor. „Sie wissen schon, dass die Polizei keine Geschäfte mit Detektiven macht, oder?“
„Ich weiß so einiges, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es immer auf den Einzelfall ankommt“, erwiderte die Ritter ungerührt.
Die Kleine ist verdammt dreist, dachte Carola. Diese Unverschämtheit würde ich ihr gerne eigenhändig austreiben …
Die Detektivin stützte ihr Kinn auf eine Hand. „Hören Sie, ich bringe jemanden in große Gefahr, wenn ich …“
„Reden Sie doch keinen Mist!“, entfuhr es Carola wütend. Viel hätte nicht gefehlt und sie hätte mit der Faust auf den Tisch gehauen. „Sagen Sie mir lieber, wie Sie auf Hugo Brandner kommen oder was Sie mit ihm zu schaffen haben. Und wenn Sie sachdienliche Hinweise wissentlich zurückhalten…“
Tessy Ritter winkte ab und stand abrupt wieder auf. Ihr Lächeln war plötzlich wie weggewischt. „Ich bleibe dabei, Frau Hauptkommissarin. Wenn Sie wissen möchten, was mit der Frau passiert ist und den Fall aufklären wollen, ohne jemanden zu gefährden, sollten Sie meinen Vorschlag annehmen.“ Sie drehte sich um und schlenderte mit wiegenden Hüften zur Tür.
„Frau Ritter, ich kann Sie in Untersuchungshaft …“
Tessy wandte sich wieder um. „Sie meinen Beugehaft?“ Für einen kurzen Moment huschte ein unverschämtes Grinsen über ihr Gesicht. „Ja, könnten Sie, aber tun Sie es nicht. Ich habe gute Gründe, meine Infos zurückzuhalten, glauben Sie mir.“
Carola Stein biss die Zähne aufeinander. Dieses kleine Miststück! Doch wenn sie Recht hatte und die Kommissarin lediglich aufgrund ihrer ganz persönlichen Animositäten auf stur schaltete, konnte das im schlimmsten Fall böse Konsequenzen haben, auch für ihre Karriere …
„Es gab einen anonymen Anruf“, presste sie hervor, als die Detektivin die Hand auf die Klinke gelegt hatte und bereits im Begriff war, die Tür zu öffnen.
Ritter fuhr rasch herum. „Mann oder Frau?“
„Frau. Und das war die letzte Frage, die ich Ihnen beantwortet habe.“
Tessy Ritter atmete tief aus. „Diese Frau dürfte sich in großer Gefahr befinden, wenn …“
Carola Stein sprang auf und eilte mit wenigen, energischen Schritten um den Schreibtisch herum auf die Detektivin zu. Dicht vor ihr blieb sie stehen und fixierte sie mit scharfem Blick. „Es reicht! Nun sind Sie dran! Und ich will keine vagen Andeutungen oder geheimnisvollen Warnungen oder Ähnliches in der Preisklasse hören, verstehen Sie?“
Tessy Ritter spitzte erstaunt die Lippen. Dann griff sie in die Innentasche ihrer Jacke und zog einen USB-Stick sowie eine Visitenkarte hervor. „Wenn Sie sich das angesehen haben und noch Fragen offen bleiben, die ich beantworten kann, bin ich gerne für Sie da.“ Damit schlüpfte Tessy Ritter aus der Tür.
Carola sah ihr einen langen Moment nach und ballte die Hände zu Fäusten.
* * *
Tessy fuhr auf direktem Weg nach Hause. Sie war aufgewühlt. Die Kommissarin hatte so dicht vor ihr gestanden, dass Tessy ihr sinnliches Parfum gerochen hatte und ihre Aufgebrachtheit hautnah hatte spüren können. Dazu dieser dunkle forschende Blick, in dem ein wildes Feuer zu glimmen schien. Wenn der Fall nicht so ernst wäre, hätte Tessy die Gelegenheit genutzt, Carola Stein ganz gewaltig auf den Zahn zu fühlen. Aber der Fall wurde immer gefährlicher, und für erotische Fantasien war zur Zeit einfach kein Platz.
Eine Frau hatte anonym bei der Polizei einen Hinweis auf das Verbrechen gegeben. Das konnte nur bedeuten, dass Lillys Kollegin dahinter steckte, überlegte Tessy. Der Tipp war allerdings nicht so fundiert und weitreichend gewesen, dass die Polizei großartig eingeschritten war – er hatte lediglich eine Durchsuchung der Halle und des Geländes zur Folge gehabt, bei der Brandner sogar noch ganz gut gelaunt
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