Tessy 02: Tessy und die Lust des Mörders
Stein gerade das Polizeigebäude verließ. Sie schien es eilig zu haben. Tessy sah, wie sie nach ihrem Handy griff und kurz stehenblieb, um zu telefonieren. Einem Impuls folgend ließ sie die Fensterscheibe ein Stück herunter, als sie eine freie Parklücke ergattert hatte. Die Stein telefonierte immer noch.
„Gut, das werde ich schon finden“, vernahm Tessy die Hauptkommissarin. Carola Stein hatte eine wundervoll tieftönende Stimme, die Tessy einen Moment wohlig seufzen ließ. Die Stein beendete das Telefonat: „Wir sehen uns dann gleich, Herr Brandner.“
Tessy stockte der Atem. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie fest davon überzeugt, sich verhört zu haben, dann schüttelte sie den Kopf. Nein, hatte sie nicht. Sie starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie die Stein mit einer eleganten Bewegung hinters Lenkrad schlüpfte, kurz im Rückspiegel den Sitz ihrer schwarzen Locken überprüfte, um sich schließlich anzuschnallen und loszufahren. Was hatte die neue Hauptkommissarin mit Hugo Brandner zu schaffen? Tessy überlegte nicht lange, sondern startete den Motor und folgte Steins Wagen, dem sich ein weiteres Polizeiauto, in dem mehrere Beamte saßen, angeschlossen hatte.
Eine knappe Stunde später war sie zwar klüger – zumindest ging sie davon aus –, aber nichtsdestotrotz verwirrt und alarmiert. Wie es aussah, waren Ermittlungen eingeleitet worden, denn mehrere Polizisten einschließlich Carola Stein sahen sich in Begleitung von Brandner in dessen Fabrikhalle und auf dem Gelände um. Soweit Tessy es von weitem beobachten konnte, herrschte jedoch ein friedlich-einvernehmlicher Ton.
Konnte es sich um eine reine Routine-Überprüfung handeln? Ausgerechnet jetzt? Das wäre ein kaum zu glaubender Zufall. Sie biss sich auf die Unterlippe. Da war etwas im Busche, und es schmeckte ihr gar nicht, bezüglich der Hintergründe völlig im Dunklen zu tappen. Hintergründe, die ihr weiteres Handeln in dem Fall noch riskanter machten, als es ohnehin schon war – darüber war sie sich im Klaren.
Als die Besichtigung eine gute Stunde später beendet wurde, brach Tessy ebenfalls auf und fuhr in Richtung Potsdamer Platz, um in der Nähe des Autosalons auf Brandners Rückkehr zu warten. Der schien es aber nicht sonderlich eilig zu haben. Als er endlich in einem schicken Porsche auftauchte, hatte Tessy eiskalte Beine, ein Vermögen beim Coffeeshop ausgegeben und fluchte seit geraumer Zeit leise vor sich hin. Sie ließ ihm jedoch noch zehn Minuten, bis sie mit der Rechnung in der einen und einer Zeitung in der anderen Hand den Salon betrat und eiligen Schrittes den Weg zu seinem Büro einschlug, bevor die blondmähnige Sekretärin auf die Idee kommen konnte, sie zu begleiten.
Brandner war sichtlich überrascht, als Tessy nach einmaligen Anklopfen mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht eintrat und vor seinem Schreibtisch stehen blieb, als seien sie fest verabredet.
„Entschuldigen Sie, dass ich hier so reinplatze“, bemerkte sie. „Aber ich war grad in der Nähe und dachte mir …“ Sie wedelte mit der Rechnung in der Hand und vertiefte ihr Lächeln.
Brandner runzelte kurz die Stirn. „Ach so, ja – die hätten Sie auch gleich meiner Sekretärin geben können. Ich lasse den Betrag noch heute anweisen.“ Er sah sie auffordernd an. Sein Ton war eine Spur gereizt.
Ich gehe ihm auf die Nerven, dachte Tessy und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. „Noch mal, Herr Brandner, es tut mir aufrichtig leid, dass ich…“
Er winkte dezent ungeduldig ab. „Vergessen Sie es. Nicht mehr zu ändern.“
Sie nickte. „Ja, da haben Sie wohl recht. Die Sache scheint sich aber dennoch endgültig erledigt zu haben“, fuhr sie fort und gab nun ihrem Lächeln eine, wie sie fand, angemessen verheißungsvolle Note.
„Wie meinen Sie das?“
Sie reichte ihm die aufgeschlagene Zeitung. „Lesen Sie mal – wenn mich nicht alles täuscht, könnte er das sein, oder?“
Brandner beugte sich über die Seite und las konzentriert und mit ungerührter Miene. Als er wieder hochsah, schnellte ein zugleich flüchtiges wie verblüfftes Lächeln über sein Gesicht. „Möglich, ja, durchaus. Klingt ganz nach Ihrer Beschreibung.“ Er wiegte den Kopf und nickte ihr dann zu. „Danke für die Info.“
„Keine Ursache. Ich dachte mir, dass Sie das interessieren könnte.“ Tessy hob kurz die Hand und wandte sich dann zur Tür um.
„Ach, Frau
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