Testplanet Kratos
Conrad im Gemeinschaftsraum der Santa Maria ein Fest. Er glaubte, er sei der einzige, der wüßte, was es zu feiern gab. Aber da irrte er sich. Kwango wußte es auch.
Ein besonderes Menü wurde aufgefahren. Die Nahrung stammte von Kratos, der Wein aber von der Erde. Es erschien allen wie ein Symbol.
Nachdem alle gegessen und ein wenig zuviel getrunken hatten, entschied Conrad, daß es nun Zeit für seine Rede sei.
»Meine Damen und Herren«, begann er umständlich.
»Eintrag löschen«, unterbrach ihn Kwango, »hier sind weder Damen noch Herren anwesend, Massa Boß, nur ’n paar verdammte ENTS.«
»Nun gut, sehr geehrte, verdammte ENTS«, begann Conrad von neuem. »Als ich Ihnen zum ersten Mal begegnete, hielt ich Sie für eine verabscheuungswürdige Bande von menschlichem Abschaum. Nachdem ich nun einige Zeit in Ihrer Gesellschaft verbracht habe, sehe ich keinen Grund, meine Meinung zu revidieren. Aber Sie haben Kratos bezwungen. Und deshalb bin ich stolz darauf, Sie kennengelernt zu haben. Ich rede so geschwollen, weil ich wohl schon leicht einen in der Kiste habe. Und weil dieser Abend kein gewöhnlicher ist. Wir haben heute nämlich …«
»Silvester«, tönte es von Kwango.
Conrad sah ihn mit böse funkelnden Augen an. »Dreckiger Nigger!« schleuderte er ihm in gespielter Wut entgegen.
»Blöder Weißarsch!« erwiderte Kwango.
»Warum müssen Sie immer alles vorwegnehmen?«
»Weil das mit der Arbeit zu tun hat, um deretwillen ich hier angestellt bin, oder, Massa Boß?«
Conrad seufzte. »Wahrscheinlich haben Sie wieder einmal recht. Allerdings hat Ihr Tun auch seine Schattenseiten. Und da wir gerade dabei sind, auf Grund eben erfolgter Insubordination bestrafe ich Sie …«
»… mit dem Entzug der Schnapsration!« Vier Stimmen erklangen wie ein Chor.
»Fröhliches Neujahr, alle miteinander«, sagte Conrad. »Wir haben einen Planetenumlauf auf Kratos überlebt. Morgen wird Matthew mit seinen Jungs in Jamestown einen Materie-Empfänger errichten. Fragen Sie mich bloß nicht, wie so etwas funktioniert. Diese Information ist nur in Matthews Schaltkreisen und den Datenspeichern der Santa Maria zu finden. Aber recht bald schon stehen hier die Planwagen bereit, um auf unseren Startschuß hin in die Prärie hinaus zu rollen.«
Fidel Batista erhob sich. »James – ja, ich weiß, das kostet mich wieder eine Schnapsration –, James, darf ich auch einen Toast ausbringen?«
»Fidel – Erlaubnis erteilt.«
»Es ist ein englischer Toast«, erklärte Fidel. »Ein Toast, wie ihn nur die Engländer ausbringen können. Die Engländer sind spleenig und verrückt, wie wir alle wissen. Aber in manchen Dingen besitzen sie Stil.«
»Höh, höh«, mokierte sich Kwango in bemühtem alten Oxford-Stil.
»Auf die, die nicht mit uns sein können«, sagte Fidel und hob sein Glas.
»Auf die, die nicht mit uns sein können«, sagte auch Conrad und hob ebenfalls sein Glas. Er dachte an Lou und Liz und war plötzlich froh, daß ihm nur ein Auge feucht wurde.
21.
Der Nachmittag war angenehm und frühlingshaft. Conrad atmete anerkennend die frische, würzige Luft ein und ließ seinen Blick über Jamestown schweifen. Das späte Sonnenlicht verlieh der Stadt einen leicht romantischen Anstrich – am ehesten wie die verlassenen Geisterstädte in den schrecklich altmodischen Western-Filmen des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber nicht mehr lange, und die Stadt würde immer mehr von einer Geisterstadt verlieren, würde sich vielmehr in eine Art Goldgräberstadt verwandeln, deren Neubauten wie Pilze aus dem Boden wuchsen. Und die ersten hundert Kolonisten waren schon auf dem Weg.
Auf Conrads Anfrage hin hatte Matthew versucht, ihm die Theorie der Materie-Transmission durch den Halbraum zu verdeutlichen. Aber danach hatte Conrad auch nicht viel mehr gewußt. Er hatte sich auch in der Mikrofilm-Bibliothek an Bord der Santa Maria über dieses Thema zu informieren versucht. Das hatte dazu geführt, daß er sich mit Unmengen an Mathematik herumschlagen mußte. Aber wesentliche neue Erkenntnisse waren für ihn dabei nicht herausgesprungen. Und auch der geistig omnipotente Kwango hatte sich vergeblich bemüht, dieser Theorie Herr zu werden, was Conrad doch einige Befriedigung bereitet hatte.
Der Materie-Empfänger war auf dem Andreas-Platz aufgebaut worden, nahe der isolierten Sammelstelle, in der die versiegelten Zylinder aufbewahrt wurden, bis die Tiefgefrorenen aus ihrem Scheintod geholt werden konnten.
In einer
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