Teufelskreis
Thrall? Welcher Ork mit etwas Selbstachtung würde sich denn so rufen lassen?”
Jaina erklärte nicht, dass Thrall mehr Selbstachtung hatte als jeder andere Ork, den sie kannte, weil dieser Hinweis die vorherigen hundert Male auch nicht in Durees Gedächtnis haften geblieben war. Stattdessen verbesserte sie: „Es heißt Drek’Thar, nicht Drek’Than.”
„Wie auch immer.” Duree pflanzte ihre Brille wieder auf die Nase. „Das sind gute Ork-Namen. Nicht Thrall. Doch egal, wie ist es gelaufen?”
„Wir haben ein Problem. Hol Kristoff. Und schick jemanden, der Oberst Lorena sucht und ihr sagt, dass sie einen Trupp zusammenstellen soll, der nach Northwatch reist und mir von dort berichtet. Sobald sie mit den Vorbereitungen fertig ist, will ich sie sehen.” Jaina saß an ihrem Tisch und begann die Schriftrollen zu sortieren. Auf diese Weise versuchte sie, die Schiffsberichte zu finden.
„Warum Lorena? Sollten nicht besser Lothar oder Pierce gehen? Jemand, der etwas weniger… ich weiß nicht… weiblich ist? Die in Northwatch sind ein rauer Haufen.”
Jaina fragte sich, ob sie diese Unterhaltung jedes Mal führen musste, wenn Lorenas Name fiel. „Lorena hat mehr Durchsetzungsvermögen als Lothar und Pierce zusammen. Sie wird das gut machen.”
Duree schmollte, ein jämmerlicher Anblick bei einer so alten Frau. „Es ist nicht richtig. Das Militär ist keine Frauenarbeit.”
Jaina gab es auf, nach den Schiffsberichten zu suchen und funkelte ihre Zofe an. „Das gilt auch für das Regieren einer Stadt.”
„Nun, das ist etwas anderes”, beteuerte Duree schwach.
„Warum?”
„Weil es eben so ist.”
Jaina schüttelte den Kopf. Drei Jahre, und Duree hatte immer noch keine bessere Antwort parat. „Hol einfach Kristoff und schicke nach Lorena, bevor ich dich in einen Molch verwandele.”
„Wenn Ihr mich in einen Molch verwandelt, werdet Ihr nie wieder etwas in diesem Durcheinander finden.”
Jaina warf frustriert ihre Hände hoch und sagte: „Ich kann schon jetzt nichts finden. Wo sind diese verdammten Schiffsberichte?”
Lachend antwortete Duree: „Kristoff hat sie. Ich sage ihm, er soll sie mitbringen, wenn er vorbeikommt. Soll ich?”
„Bitte.”
Duree verbeugte sich, was ihre Brille dazu brachte, wieder abzurutschen. Dann verließ sie die Kammer. Jaina überlegte kurz, ob sie ihr einen Feuerball hinterherwerfen sollte. Dann entschied sie sich dagegen. Duree hatte Recht. Ohne sie hätte Jaina wirklich rein gar nichts gefunden.
Augenblicke später trat Kristoff ein, mehrere Schriftrollen in den Händen. „Duree hat gesagt, Ihr wolltet mich sprechen, Mylady. Oder wolltet Ihr nur das hier?” Er zeigte auf die Dokumente.
„Eigentlich beides. Danke”, fügte sie hinzu, als sie ihm die Rollen abnahm.
Kristoff war Jainas Kämmerer. Während sie Theramore regierte, war Kristoff derjenige, der es verwaltete. Sein Talent für interne Details prädestinierte ihn für den Job und war eines der ersten Dinge gewesen, die Jaina davon abgehalten hatten, Amok zu laufen, als das Anführersein zum ersten Mal zu viel für ihre nicht sehr breiten Schultern geworden war. Er war vor dem Krieg Hochlord Garithos Verwalter gewesen und hatte da sein legendäres Organisationstalent unter Beweis gestellt.
Selbstverständlich hatte er keine Karriere innerhalb des Militärs gemacht. Dazu war er zu schwach. Kristoff war zwar groß, aber spindeldürr. Er wirkte fast so zerbrechlich wie Duree, die aber immerhin ihr hohes Alter als Entschuldigung hatte. Sein dunkles, etwas mehr als schulterlanges und glatt fallendes Haar umrahmte ein hageres Gesicht mit Adlernase. Ein Gesicht, das immer finster dreinzuschauen schien.
Jaina erzählte Thralls Geschichte vom Angriff auf die Orgath’ar und dem Menschenschiff in der Nähe, das nichts getan hatte, um zu helfen.
Kristoff hob seine dünne Augenbraue und sagte: „Die Geschichte klingt nicht glaubwürdig. Eine halbe Meile vor Ratchet, sagtet Ihr?”
Jaina nickte.
„In diese Region wurden gar keine Boote geschickt, Mylady.”
„Der Nebel war dicht. Ist es möglich, dass das Boot, das Kapitän Bolik gesehen hat, vom Kurs abgekommen ist?”
Kristoff nickte und überdachte den Punkt. „Wie auch immer, Mylady, es ist genauso gut möglich, dass dieser Kapitän Bolik falsch liegt.”
„Das halte ich für unwahrscheinlich.” Jaina ging auf die andere Seite ihres Tisches, setzte sich und legte die Schiffsberichte auf den einzigen freien Platz. „Orks können besser sehen
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