Teufelsleib
Frauen – unter anderem seiner Mutter und seiner Halbschwester. Er hat sie gestern Abend entführt, und wir hätten sie nie lebend gefunden, hätte er uns nicht zu ihrem Aufenthaltsort geführt. Elvira ist zum Glück auf den Deal eingegangen und hat auch den Richter davon überzeugt. Das war ein cleverer Schachzug, denn er wusste, wir würden ihm über kurz oder lang auf die Schliche kommen.«
»Was hat er verlangt?«
»Er will nach Weiterstadt, obwohl er eigentlich zu den ganz schweren Jungs nach Schwalmstadt gehört hätte. Er will Einzelhaft, Fernseher, Stereoanlage … eine Sonderbehandlung eben. Und er bekommt es.«
»Dafür habt ihr zwei Menschenleben gerettet, ich denke, das war es wert«, sagte Nicole. »Du siehst müde und erschöpft aus.«
»Ich hab seit Tagen kaum geschlafen. Es kommen auch wieder ruhigere Zeiten. Und bei dir?«
»Wie gehabt. So schnell lass ich mich nicht unterkriegen. Wenn es so weit ist, ist es eben so weit. Willst du mit uns essen? Ich habe unsere Haushälterin gleich nach deinem Anruf gebeten, noch ein paar Kartoffeln mehr zu schälen. Seit ich zu Hause bin, essen wir immer um halb zwei. Sajani müsste jeden Augenblick eintrudeln.«
»Danke für die Einladung, ich nehme sie gerne an.«
»Schön, dann haben wir ja noch reichlich Zeit, uns zu unterhalten.«
Gegen fünfzehn Uhr sagte Nicole, dass sie müde sei und sich hinlegen müsse. Brandt verabschiedete sich von ihr, Martin und Sajani, die ihn zur Tür begleitete und sich für sein Kommen bedankte.
Er fuhr zurück ins Präsidium, denn er wollte Neuendorf, der erst am folgenden Tag ins Untersuchungsgefängnis gebracht werden würde, noch ein paar Fragen stellen.
»Ich möchte Ihnen noch einige persönliche Fragen stellen, die Sie natürlich nicht zu beantworten brauchen, aber ich würde gerne begreifen, warum jemand wie Sie …«
»Reden Sie doch nicht um den heißen Brei herum, das passt nicht zu Ihnen, Herr Brandt. Was wollen Sie wissen?«
»Was haben Sie gefühlt, als Sie die Frauen umbrachten? Wie gesagt, Sie brauchen …«
Neuendorf hob die Hand. »Doch, ich möchte darauf antworten. Ich weiß nicht genau, was ich gefühlt habe. Alles Mögliche auf einmal, ich kann es nicht beschreiben. Hass, Rache, Genugtuung. Ich weiß nur, dass ich diesen Frauen wehtun wollte. Es war etwas in mir, das rausmusste. Ich würde es Ihnen gerne besser erklären, aber ich weiß selber nicht, was wirklich in mir vorgegangen ist.«
»Sie müssen doch etwas gefühlt haben, während sie die Frauen getötet haben.«
»Ja, schon, aber ich weiß nicht, was ich fühlte. Ich weiß nur, dass ich hinterher immer nach Hause gefahren bin und laut Musik gehört habe. Das mag jetzt verrückt klingen, aber ich habe entweder Helene Fischer oder Metallica gehört. Manchmal auch Andrea Berg oder Slayer oder Iron Maiden. Ich habe mich aufs Sofa gelegt, Wein getrunken und darüber nachgedacht, was ich getan habe.«
»Und was kam dabei heraus?«
»Nichts. Ich fühlte mich von einem Druck befreit.«
»Was ist das für ein Druck? Wie muss ich mir das vorstellen?«
»Er ist im Kopf, er ist überall.«
»Aber Sie haben diese Frauen doch gezielt ausgesucht, oder?«
»Ja. Aber es war, als würden sie mir auf dem Präsentierteller serviert. Es war ganz eigenartig, vor allem bei Anika, Bettina und Linda. Die Kirchenhuren … Entschuldigung.«
»Sprechen Sie ruhig weiter.«
»Sie waren alle in meiner Kirche, das ist alles. Ich wollte doch nur in der Nähe meiner Mutter sein und mich rächen, und dann waren da diese Frauen.«
»Woher wussten Sie, dass sie Huren waren?«
»Ich möchte diese Frage nicht beantworten, das bleibt mein kleines Geheimnis.«
»Aber wie sind die Morde abgelaufen? Die Frauen kannten Sie doch …«
»Ich habe mich verkleidet. Sie kannten mich nur mit Brille und sehr bieder. Ihnen gegenüber trat ich als Geschäftsmann auf, keine hat mich erkannt. Außerdem waren sie nur sonntags da und unter der Woche ab und zu, wenn sie …«
»Die Beichte ablegten?«
»Ja.«
»Wussten Sie daher, welcher Beschäftigung sie nachgingen?«
»Kein Kommentar.«
»Verspürten Sie Genugtuung, nachdem Sie getötet hatten?«
»Ja.«
»Warum haben Sie nicht gleich Ihre Mutter umgebracht? Das wäre doch der einfachste Weg gewesen.«
»Ich wollte erst die Familie kennenlernen. Es ist eine gute Familie, aber Erika hat das Zepter in der Hand. Haben Sie gemerkt, wie sie heute Morgen reagiert hat? In ihrem Innern ist sie kalt wie Eis. Sie ist
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