Teufelsleib
hundemüde sein. Willst du nicht lieber nach Hause fahren und dich ein bisschen ausruhen? Was jetzt kommt, ist doch nur noch Routine.«
»Ich bin viel zu aufgedreht, um auch nur ein Auge zumachen zu können. Heute Abend werde ich die Beine hochlegen und versuchen abzuschalten.«
»Du musst es wissen.« Sie schwieg eine Weile. »Die Trautmann ist also seine Mutter. Wer hätte das gedacht?«
»Es ist schon fast klassisch, wie er sich verhalten hat. In der Kriminalgeschichte gibt es viele Fälle, in denen Frauen stellvertretend für die Mutter des Täters sterben mussten. Nicht anders wird es bei Neuendorf gewesen sein. Aber ich will es aus seinem Mund hören.«
»Alles schön und gut, aber das entschuldigt nicht einen seiner Morde«, warf Elvira ein.
»Natürlich nicht. Er kannte die ganze Zeit den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Recht und Unrecht. Es gibt keine Entschuldigung, höchstens eine Erklärung. Vielleicht erzählt er uns ja noch, was in ihm vorgegangen ist, warum er so grausam gemordet hat und warum er diese Symbole benutzt hat. Ich möchte wissen, wie er tickt, was in ihm vorgeht, wie er fühlt, wie er denkt … Ganz ehrlich, der Mann interessiert mich.«
»Aber blick nicht zu lange in den Abgrund«, mahnte ihn Elvira. »Du hast das Nietzsche-Zitat gehört. Interessanter Ausspruch.«
»Keine Angst, ich bin schon zu lange in dem Job und habe schon in zu viele Abgründe geblickt, ich bin immun.«
»Hoffentlich.«
Um 10.40 Uhr kamen sie im Präsidium an. Neuendorf besprach sich mit seinem Anwalt, Brandt ging zu Spitzer und erzählte ihm von den Ereignissen des Wochenendes und der vergangenen Nacht, wobei dieser im Groben bereits von Schulze und Weiner informiert worden war.
»Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte er, als Brandt geendet hatte.
»Kann ich nicht sagen. Es war ziemlich viel in recht kurzer Zeit. Ich sag dir morgen oder übermorgen oder nächste Woche, wie ich mich fühle. Ich bin dann mal weg.«
»Wo geht’s hin?«, wollte Spitzer wissen.
»Zu einer guten Freundin und Kollegin, die mir sehr geholfen hat«, antwortete Brandt.
»Nicole?«
»Wer denn sonst? Wir sehen uns.«
Montag, 12.20 Uhr
B randt rief bei Nicole an, ihr Mann Martin Eberl nahm den Hörer ab.
»Hi, Peter hier. Wie geht’s Nicole?«
»Ganz gut. Willst du sie sprechen?«
»Lieber würde ich kurz vorbeikommen, vorausgesetzt, ich störe nicht.«
»Quatsch, du störst nie. Wann wirst du hier sein?«
»Viertelstunde, zwanzig Minuten.«
»Ich richte es ihr aus.«
Brandt fuhr zu Nicole. Martin begrüßte ihn zum ersten Mal, seit sie sich kannten, mit einer herzlichen Umarmung.
Nicole saß in einem hohen Ohrensessel, die Beine auf einem Schemel, die Wolldecke bis fast unters Kinn gezogen. Er zog sich einen Sessel heran und nahm Platz.
»Schön, dich wiederzusehen. Brauchst du wieder meine Hilfe?«, begrüßte sie ihn.
»Wir haben den Täter. Er hat alles gestanden.«
»Das ging aber auf einmal schnell. Wie seid ihr auf ihn gekommen?«
Brandt erzählte, was am Wochenende vorgefallen war, von dem Mord an Michaela Preusse, von dem Nicole noch nichts wusste, der Entführung der Trautmann-Frauen, dem raschen Zugriff und Neuendorfs Geständnis.
»Gratuliere, sehr gute Arbeit«, lobte ihn Nicole.
»Das hab ich zu einem großen Teil dir zu verdanken. Du hast mir am Samstag sehr geholfen, auch wenn du das vielleicht mal wieder nicht wahrhaben willst.«
»Ach komm …«
»Nein, sei nicht immer so bescheiden. Du hast sehr klar und analytisch agiert, und das war genau das, was ich brauchte. Und noch was: Du hattest recht, als du sagtest, dass die Morde in Offenbach wahrscheinlich nicht seine ersten waren. Er hat tatsächlich schon zwei andere Frauen umgebracht, eine in Darmstadt vor etwas über drei Jahren, eine in Frankfurt im April 2007. Er war übrigens bestens über die Gegebenheiten in der Kirche informiert, er war Chorleiter, er ist Musiklehrer und war äußerst beliebt. Eben der Mann, dem man niemals zutrauen würde, ein Serienkiller zu sein. Beinahe klassisch, der nette Mann von nebenan. Reimt sich sogar«, sagte Brandt lachend.
»Wie alt ist er?«
»Dreiunddreißig.«
»Und was hat ihn angetrieben?«
»Wie es aussieht seine Mutter. Was genau der Auslöser war, das hoffe ich noch zu erfahren. Aber ich denke, er wird sich kooperativ zeigen und sich öffnen. Er hat allerdings einen Deal verlangt …«
»Was? Seit wann machen wir mit Mördern Deals?«
»Es ging um das Leben von zwei
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