Teufelsleib
geahnt, dass das Schicksal sie eines Tages zusammenführen würde.
Mittlerweile verstanden sie sich nahezu blind, es war, als hätten sie sich seit einer Ewigkeit gesucht, sich aber erst nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit, die nicht immer einfach gewesen war, gefunden. Sie, die Anwaltstochter aus reichem Hause, und er, der im Vergleich zu ihrer Herkunft einfache Hauptkommissar, dessen Vater auch »nur« bei der Polizei gewesen war. Sie hatte nie in einer festen Beziehung gelebt, eine Singlefrau, wie man sie heutzutage haufenweise fand. Es hatte vor ihm auch nur einen Mann in ihrem Leben gegeben, doch die Sache, wie sie es nannte, war angeblich zu unbedeutend, als dass es sich gelohnt hätte, darüber zu sprechen. Er wusste nur, dass es eine lose Beziehung gewesen war, die nicht lange hielt.
Er hatte eine gescheiterte Ehe hinter sich, war alleinerziehender Vater von zwei mittlerweile fast erwachsenen und – wie er fand – bildhübschen Töchtern, das einzig Positive, was sie seiner Ansicht nach von ihrer Mutter hatten, einer rast- und ruhelosen Person, die nicht einmal jetzt zufrieden war, obwohl sie endlich mit dem Mann ihrer Träume, einem steinreichen Immobilienmakler, liiert war. Er bot ihr vor allem eines – Geld. Geld, das Brandt nie hatte, das sie aber trotzdem mit vollen Händen ausgegeben hatte. Zudem hatte sie sich ständig beschwert, dass er zu wenig tue, um auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Die Ehe war durch die ständige Nörgelei und Unzufriedenheit von Brandts Gattin schon früh zum Scheitern verurteilt gewesen, hatte aber immerhin fast zehn Jahre Bestand gehabt. Dann war sie eines Tages mir nichts, dir nichts verschwunden, nur einen Zettel hatte sie auf dem Tisch hinterlassen, auf dem sie ihm mitteilte, dass sie es mit ihm nicht mehr aushalte.
Am Ende waren viele Gehässigkeiten im Spiel gewesen, vor allem, als Brandt mit Zähnen und Klauen um das alleinige Sorgerecht für seine Töchter kämpfte und es schließlich auch bekam. Da er sie nicht gänzlich ihrer Mutter entziehen wollte, überließ er ihnen die Entscheidung, ob und wann sie ihre Mutter sehen wollten. Anfangs sahen sie ihre Mutter nur in unregelmäßigen Abständen, doch mittlerweile besuchten sie sie regelmäßig in ihrem Domizil in Spanien, wo sie, sofern sie nicht gerade auf Reisen war und in einem der fünf anderen über den Globus verteilten Häuser residierte, mit ihrem Mann eine mondäne Villa mit phantastischem Mittelmeerblick bewohnte.
Sie verwöhnte Sarah und Michelle nach allen Regeln der Kunst, und die Mädchen genossen es, vergaßen jedoch nie, wo ihre eigentliche Heimat war – in Offenbach, wo sie geboren und aufgewachsen waren. Sie waren nicht käuflich, aber warum sollten sie nicht annehmen, was ihre Mutter ihnen nicht auf einem silbernen, sondern einem goldenen Tablett servierte?
Seit Brandt mit Elvira zusammen war, verlief sein Leben in ruhigen und doch alles andere als langweiligen Bahnen. Zum ersten
Mal meinte er, auf
seinem
Weg zu gehen und
seinen
Platz im Leben gefunden zu haben und dieses Leben auch endlich genießen zu dürfen. Er musste nicht mehr nur funktionieren und tun, was andere von ihm erwarteten und verlangten, sondern durfte sich auch einmal fallen lassen und die wenige freie Zeit genießen.
Brandt und Klein trennten Berufliches und Privates strikt, was anfangs nicht ganz einfach war, schließlich aber doch weitestgehend klappte. Sie war die Staatsanwältin, er der Ermittler. Sie stand über ihm, und er akzeptierte es, denn so hatten sie sich kennengelernt. Sie war Akademikerin, er ein »normaler« Kriminalkommissar. Aber nicht selten kam es vor – wie schon in der Zeit, bevor sie zusammenkamen –, dass sie unterschiedlicher Meinung waren, sie ihn anfauchte, was er gewöhnlich mit einem Schmunzeln oder einer lässigen Bemerkung abtat. Und nur wenige Stunden später war alles, was während des Tages gewesen war, so gut wie vergessen, und eigentlich, so hatten sie es sich vorgenommen, sprachen sie außerhalb der Dienstzeiten kaum über den Beruf und die Fälle, an denen sie gerade arbeiteten.
Seit einiger Zeit jedoch kamen sie nicht zur Ruhe, weshalb das Berufliche immer häufiger auch in ihr Privatleben eindrang. Sie hatten es mit einer ständigen Zunahme von Gewalttaten zu tun, die meisten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen begangen, selbst Kinder, die noch nicht strafmündig waren, befanden sich darunter. Kinder – acht, neun, zehn Jahre alt –, die zum Teil
Weitere Kostenlose Bücher