Texas Queen
Sonnenbrille ab.
Und genau in diesem Moment blickte sie in seine Richtung und sah ihm direkt in die Augen.
Der Fremde schaute Niki so durchdringend an, dass es ihr vorkam, als würde sie ein Stromschlag durchzucken. Sie hielt den Atem an. Es war tatsächlich der Mann, der ihr schon vorhin aufgefallen war. Er hatte die Fotos von ihr betrachtet, und jetzt blickte er sie an, als wolle er ihr Blut zum Kochen bringen. Wer war das?
Wieso kam hier ein Cowboy herein, der bis eben noch eine dunkle Sonnenbrille getragen hatte? Und weshalb saß er bei Dylan Sawyer am Tisch, als seien sie beide schon seit Jahren befreundet?
“Niki, an Tisch neun warten die Leute auf die Getränke.”
“Entschuldige, Ken.” Hastig nahm sie das Tablett und achtete nicht weiter auf den Fremden. Es musste Einbildung sein, dass sie meinte, seinen Blick auf ihrem Rücken zu spüren. Ihre Nackenhärchen richteten sich auf.
Und ich muss auch noch zu ihm gehen und ihn fragen, was er bestellen will, dachte sie. Sicher würde Tracy ihr das notfalls abnehmen, aber das wäre feige. Und Niki war kein Feigling.
Nachdem sie die Biere verteilt hatte, straffte sie die Schultern und setzte ein Lächeln auf. Einen Moment lang war sie versucht, lieber zu der Reporterin zu gehen und ein Interview über sich ergehen zu lassen, doch dadurch zögerte sie das Unvermeidliche nur weiter hinaus.
Mit hoch erhobenem Kopf ging sie zu den beiden Männern. Je näher sie kam, desto attraktiver fand sie den Fremden. Sein Kinn war sehr kantig im Vergleich zu den vollen Lippen, und als er lächelte, zeigte er strahlend weiße Zähne.
“Hallo, Dylan.” Sie nickte dem jungen Arbeiter von der Bar-K-Ranch kurz zu und sah dann wieder zu seinem Tischnachbarn. “Haben die Herren schon entschieden, was Sie möchten?”
“Ich nehme ein Bier”, sagte Dylan. “Und Sie, Clay?”
Einen Moment zögerte der Mann, dann stand er langsam auf, wobei er Niki nicht aus den Augen ließ. “Ich glaube, hier gibt es nichts, was mich interessiert”, erwiderte er höflich. Dann setzte er seinen Hut auf, nickte und ging hinaus.
Niki sah ihm völlig verblüfft nach. Was war da eigentlich gerade geschehen?
Der Mann hatte doch nicht von irgendwelchen Drinks gesprochen. Er hatte ganz andere Dinge im Kopf gehabt, und die Möglichkeiten, die Niki dabei in den Sinn kamen, gefielen ihr gar nicht.
“Das Bier kommt sofort”, fuhr sie Dylan an, als könne er etwas dafür. Und den restlichen Tag über war Niki schlecht gelaunt, weil der gut aussehende Fremde sie enttäuscht hatte.
2. KAPITEL
Clay stieg in seinen staubigen schwarzen Pick-up und verließ Hard Knox. Kein Wunder, dass Niki Keene sich weigerte, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Das brauchte sie schließlich auch gar nicht, denn ihre Familie und ihre Freunde würden das für sie erledigen.
Missmutig fuhr er Richtung Osten, bis er schließlich auf den Highway kam, der direkt nach Dallas führte. Nur noch ein paar Stunden, und er war am Ziel.
Und in diesen Stunden tat er nichts anderes, als über die störrische, wenn auch sehr ansehnliche Niki Keene nachzudenken.
Als sie im Sorry Bastard Saloon an seinen Tisch gekommen war, hatte er kaum noch ruhig sitzen können. Die Leute im Ort verehrten sie regelrecht, obwohl sie nichts tat, um diese Verehrung zu fördern. Im Gegenteil. Sie hatte etwas dagegen, sich zur Schau zu stellen. Wie hatte sie es ausgedrückt? Sie wollte sich nicht wie auf einem Viehmarkt fühlen. Aber wenn sie bereits so viele Titel gewonnen hatte, was gab es dann gegen den Titel der Cowgirl-Queen einzuwenden?
Mit jeder Meile, die er fuhr, wurde er mürrischer, und schließlich hatte er sich von ein paar Punkten überzeugt. Erstens sah Niki Keene nicht so gut aus, wie er zunächst gedacht hatte. Und wenn sie an der Endrunde nicht teilnehmen wollte, dann würde Clay sie nicht dazu zwingen. Außerdem war sie anscheinend ziemlich dumm, denn wenn sie auch nur etwas Verstand besäße, würde sie erkennen, welche großartige Gelegenheit sich ihr hier bot.
Trotzdem war er nicht zufrieden, denn sie sah in den Sachen von Mother Hubbard wirklich umwerfend aus.
Am nächsten Morgen fuhr Clay zur Zentrale von Mother Hubbard. Seit der Konzern ihn vor zwei Jahren als Sprecher eingestellt hatte, kam er in regelmäßigen Abständen immer wieder hierher in dieses große Gebäude aus Glas und Stahl.
Zuerst hatte er sich lächerlich gefühlt, weil er sich immer als Cowboy zurechtmachen musste und bei jedem wichtigen Termin fotografiert
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