The American Monstershow in Germany
niederdrückte, dachte Martin an seine Mutter, die bestimmt zu Hause vor dem Fernsehschirm saß und wie gebannt an seinen Lippen hing. Sie hatte damals für ihn an die Spielgesellschaft geschrieben und Martin für Volles Risiko! angemeldet. Erst als man zu Testspielen einlud, hatte sie ihm gesagt, was sie angestellt hatte. Zuerst war Martin so wütend gewesen, dass er einen Brief schreiben und den Fernsehleuten absagen wollte. Dann war er doch zu den Testspielen nach München gefahren.
Es war fabelhaft gelaufen damals. Er hatte die anderen Bewerber um Längen hinter sich gelassen. Es hatte Spaß gemacht. Aber damals war es auch nicht um eine so gewaltige Summe wie heute gegangen.
Martin erschauerte, als wäre ein eisiger Windstoß über seinen Rücken gefahren.
Er legte beide Hände vorsichtig auf den Knopf, der wie eine rotbemalte Schildkröte aussah. Konzentriert blickte er in die Kamera, die ihn - den Champion - einmal mehr in den Blickpunkt rückte. Dann wendete er seine ganze Konzentration dem Showmaster zu, der die ersten Fragen mit unbewegter Stimme vorlas. Man konnte den Eindruck gewinnen, er übe das Taktmaß seiner Stimme zu Hause mit einem Metronom.
„ Wie viele Tage hat die Woche im Gregorianischen Kalender?“
Sofor t als das Wort Woche fiel, drückte Martin auf den Knopf vor sich, doch Gisela war offenbar noch schneller gewesen. Sie antwortete richtig und erkämpfte sich damit zunächst die Führung.
„ Welches Fest wird zu Ehren von Christi Geburt ...“, weiter kam der Moderator nicht, denn wieder hatte Gisela sich zur Antwort bereit gemeldet. Martin schaute konsterniert auf den Knopf. Wieder hatte er einen Augenblick zu spät reagiert. Auch Wilfried war offensichtlich nicht schnell genug, wenn es darum ging, sich zur Antwort bereit zu melden.
Die beiden nächsten Fragen konnte Martin an sich reißen. Durch richtige Antworten zog er mit Gisela gleich. Die fünfte Frage war eine zum Thema Geschichte und ging fast folgerichtig an Wilfried.
Danach ertönte ein feiner Glockenton, der Werbeteil der Sendung begann.
Martin wusste bereits, was ihn und seine Mitstreiter erwartete. In diesen speziellen Werberunden hatte er oft Glück gehabt und sich wertvolle Bonuspunkte sichern können.
Die Regeln dieser Werberunden waren ebenfalls einfach Wer jetzt eine Frage richtig beantwortete, durfte sich von einer fünf Felder umfassenden Bonuswand eines aussuchen. Entweder erhielt er ein mehr oder weniger lukratives Geschenk oder zehn Bonuspunkte. Martin hatte in den bisherigen sechs Sendungen, bei denen er mitgespielt hatte, allein 140 Bonuspunkte erkämpft. Das war beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Chance auf einen Bonus jeweils nur 20 Prozent betrug.
Thomas begann, die erste Bonusfrage vorzulesen. Es ging um einen Schriftsteller. Nach drei Sätzen schon erkannte Martin Edgar Allen Poe. Bonusfeld 3, welches er wählte, bescherte ihm allerdings nur eine Krawattennadel aus Silber mit Goldauflage. Davon hatte Martin auch schon zwei gewonnen.
Die zweite Bonusfrage ging an Gisela, die einen Topfsatz gewann und sich riesig darüber zu freuen schien.
‚ Hat sie als gestandene Hausfrau nicht schon genug Töpfe im Haus?‘ überlegte Martin, bevor er sich für die nächste Frage vollauf konzentrierte.
Diesmal ging es um ein Kunstwerk. Hier schien Wilfried ebenfalls in seinem Element zu sein. Er antwortete nach nur zwei erklärenden Sätzen des Moderators richtig.
„ Welche Zahl möchten Sie, Wilfried?“ erkundigte sich Thomas mit charmantem Lächeln.
„ Die Drei!“
Gaby lächelte honigsüß, als sie die Drei umwendete.
„ Zehn Bonuspunkte!“ verkündete Thomas mit einem triumphierenden Aufschrei.
Auch Martin hätte beinahe aufgeschrien, doch bei ihm wäre es mehr ein Angstschrei gewesen. Er mahnte sich zur Ruhe. Noch war nichts verloren, wenn er nur den Kopf oben behielt. Keineswegs durfte er seine Reaktion durch Nervosität weiter schmälern. Noch weniger durfte er hektisch zu früh drücken und dann Punkte einbüßen.
Einmal hatte er zu Hause am Bildschirm verfolgt, wie ein Mann, der bereits sicher mit 20 Punkten führte, sich selbst um die Früchte der Anstrengung brachte, weil er fünf falsche Antworten hintereinander gab. Da hatten die Nerven am Ende ganz einfach versagt.
Wilfried führte nach der ersten Bonusrunde mit fünf Punkten vor Gisela und Ma rtin, zwischen denen Gleichstand herrschte. Für Spannung für das Publikum daheim war also vollauf gesorgt. Um alles noch ein bisschen
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