The American Monstershow in Germany
linkes Auge. Der Schmerz durchjagte jede Faser seines Körpers und bohrte sich dann tief in die linke Gesichtshälfte ein. Es war der grenzenlose Schmerz und die Klarheit des nahenden Endes, was Richard wieder völlig zu Bewusstsein brachte. Von einem Augenblick zum anderen begriff er, welcher Gefahr er ausgesetzt war. Mit diesem plötzlich wieder aufkeimenden Überlebenswillen überflutete ihn auch ein unbändiger Hass auf seine Peiniger, die auch Anja Winter auf dem Gewissen hatten. Er ergriff den geflügelten Dämon in seinem Gesicht und drehte ihm mit einem einzigen Griff den Hals um. Danach versuchte er, auch den in seinem Nacken zu packen, doch der flog auf, bevor er zugreifen konnte.
Inzwischen strömten gemeinsam mit den Schülern auch Ratten aus dem Schulgebäude. Sie sprangen wie spielende Hunde neben und hinter den Kindern her. Immer wieder erwischten sie ihre Opfer mit den scharfen Nagezähnen an den Beinen oder gar an der Brust. Das Chaos war vollständig, als sich nun auch wieder verstärkt Tauben an den Attacken beteiligten. Sie nahmen dabei zielgerichteter denn je die Augen der Menschen ins Visier. Viele der Angegriffenen bluteten bereits aus Bisswunden und Wunden durch Schnabelhiebe. Die meisten der Kinder waren der nervlichen Belastung schon seit geraumer Zeit nicht mehr gewachsen. Sie gaben auf, blieben schreiend irgendwo mitten auf dem Schulhof stehen und ergaben sich den Angriffen der Tiere. Manche konnten auch schon nicht mehr schreien und weinten nur stille, verirrte Tränen um eine verlorene Kindheit. Gerade diese völlig wehrlosen Geschöpfe, Lämmer auf dem Opferstein, wurden in Ruhe gelassen. Offenbar hatten Ratten und Tauben mit ihnen etwas Besonderes vor.
Richard hatte nach der Phase der Apathie nun eine blinde Wut erfasst. Diese Tiere, die ihm seine Anja genommen hatten, sollten erfahren, zu wie viel todbringendem Hass ein Mensch fähig sein konnte, dem man seine Liebe geraubt hatte. Richard raste wie ein Wirbelsturm über den Hof. Hinter sich her zog er eine immer größer werdende Schar von Ratten und Tauben, doch blies er keine Flöte, sondern schlug mit Deckeln zweier Essenkübel wahllos links und rechts auf die Angreifer ein. Er hatte diese Waffen direkt hinter dem Eingang zum Speiseraum gefunden, den er aufsuchte, als sich seine Gedanken im Augenblick des größten Schmerzes von Verzweiflung auf Rache umgestellt hatten. Wie ein Zyklop wütete er unter den Ratten, die offenbar sofort erkannten, dass sie es hier mit einem würdigeren Gegner als bei dem Haufen verängstigter Kinder zu tun hatten. Sie zogen augenblicklich alle verfügbaren Kräfte zum Angriff auf diesen Feind zusammen und begannen mit der Attacke.
Richard war nicht mehr in der Lage, seinen Weg über den Schulhof fortzusetzen. Die Schmerzen, die seinen ganzen Körper beherrschten, führten zunehmend zu einer Eintrübung seines Bewusstseins. Blut lief in Strömen über sein Gesicht und verschleierte auch den Blick mit dem noch vorhandenen Auge. Eine Unzahl pelziger Leiber drängte sich um seine Beine, sprang an den Hosen hinauf und verbiss sich in seine Gliedmaßen. Wild und unkontrolliert, aber nicht mehr mit der anfänglich noch vorhandenen Kraft schlug Richard mit den Deckeln der Essenkübel auf die Angreifer ein, die jetzt jedoch kaum mehr zurückwichen. Drei Tauben kreisten um Richards Kopf wie Geier über der Prärie, im Blick den Cowboy im Todeskampf. Immer wieder schossen diese gefiederten Bestien vor, rissen ein Stück Fleisch aus Richards Gesicht und entfernten sich, bevor dieser zum Gegenangriff übergehen konnte. Die Ratten fraßen Stück für Stück an Richards Beinen.
‚ Anja, ich habe dich geliebt!‘ Richard sah sie noch einmal dort in ihrem Blut vor dem Eingang zum Speiseraum liegen, ehe eine Taube auch sein zweites Auge erwischte.
‚ Anja, wir werden uns wiedersehen.‘ Es war eine große Liebe. Keiner hatte davon gewusst...
Richard stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das hohe Fiepen der Ratten begleitete ihn auf seinem Weg in die Ewigkeit.
Auch auf Georgs Baustelle waren inzwischen Ratten eingetroffen. Emsig verschafften sie sich Zugang zu den Baracken, in denen sich die Bauleute verschanzt hatten.
„ Jeder nimmt sich eine Waffe. Wir erschlagen die Biester, wenn sie ihre Drecksnasen hier hereinstecken.“ Pit stand breitbeinig, mit einem Spaten in den Händen mitten im Raum und gab Anweisungen an die anderen weiter. Georg saß, von Schmerzen noch immer betäubt, am Fenster und
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