The American Monstershow in Germany
mochte.
Lange Zeit trieb das Paar so dieses Spiel, das man das schönste der Welt nennt. Christian Bertram war in einem Rausch der Lust und des Glücks. Er begriff in diesen Augenblicken der Wonne nicht, dass nur eine Frau seiner Phantasie sich ihm hingab. Er konnte nicht erkennen, dass er keine Erfüllung finden würde, dass hier Dinge geschahen, vor denen man besser floh, ehe es zu spät war.
Doch dann, als habe ein Blitz sein Gehirn getroffen und es taghell erleuchtet, verstand der Schriftsteller. Dies geschah genau in jenem Augenblick, als Clarissa die Tore des Paradieses für ihn öffnen wollte. Er prallte vor dieser Erkenntnis zurück, als habe ihn ein Auto frontal angefahren. Er war hellwach, er träumte nicht und unter ihm, ihm restlos zu Willen, lag eine Frau, die er sich nur erdacht hatte, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Oder die, wenn es sie gab, nicht wissen konnte, dass er existierte. Von einer Sekunde zur anderen erfasste Panik den Schriftsteller. Er fürchtete, den Verstand verloren zu haben. Doch zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht so weit.
Was lag da unter ihm? Wer hatte versucht, ihn zu verführen? Lag da ein Dämon in seinem Bett und lächelte verführerisch zu ihm auf?
Christian Bertram sprang auf. Er flüchtete sich zunächst angstvoll in die Nähe des Fensters, versuchte, seine Blöße mit der Gardine zu bedecken.
Clarissa richtete sich hilflos auf. Verständnislos blickte sie den Mann an, der gerade noch mit ihr die schönsten Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte. Sie versuchte, den Blick ihrer tiefschwarzen Augen in den seinen zu versenken. „Komm“, formten ihre Lippen eine Bitte, ohne sie laut auszusprechen. In diesem Moment begriff Herr Bertram, dass er Clarissa vernichten musste. Was da im Bett lag, war nicht echt, konnte nicht echt sein. Also musste es vernichtet werden.
Christian Bertram sprang nach vorn wie ein Tiger. Er warf sich auf die wunderschöne Frau in seinem Bett, bedeckte sie mit dem ganzen Gewicht seines Körpers.
„ Oh!“ Dem Mund Clarissas entfloh eine Mischung aus Lust- und Schmerzensschrei. Sie glaubte wohl im ersten Moment, dies sei eine neue Variante des Liebesspiels. Dann aber schloss Herr Bertram seine beiden Hände fest um den blütenweißen Hals der Schönen.
Fest und fester drückte er zu. Er sah, wie ihre Augen erst in Unglauben, dann in panischem Schrecken immer stärker aus den Höhlen traten. Er spürte, wie ihre scharfen Fingernägel in wilder Gegenwehr seinen Rücken zerkratzten und immer tiefere Spuren eingruben. Er spürte, wie sie würgte, nach Atem, nach Leben rang, doch er ließ sie erst los, als alle Gegenwehr erloschen, das Leben ganz gewichen war.
Christian Bertram erhob sich. Dann trat er einen Schritt vom Bett zurück, um noch einmal auf die unvergleichliche Schönheit zu blicken, die sein Geist erschaffen und seine Hände vernichtet hatten. Clarissa aber rollte, wie von einer magischen Hand gestoßen, vom Bett. Sie drehte in der Luft eine elegante Pirouette, ehe sie auf dem Boden des Schlafzimmers aufschlug. Dort zerbarst sie wie ein altes Tongefäß. Sie zerfiel in Scherben. Herr Bertram konnte sich vorstellen, dass eine alte Porzellanpuppe so zerspränge, würfe man sie gegen die Wand. Die blonden Haare lagen wie eine Perücke in dem Scherbenhaufen, der alles war, was von Christian Bertrams Traum blieb.
Herr Bertram fegte die Splitter seiner Phantasie zusammen und warf sie in den Müll. Danach legte er sich ins Bett und schlief ein.
Hier könnte Christian Bertrams Geschichte enden. Vielleicht hätte sich alles als überreizter Traum herausstellen können, aber dann wäre Herr Bertram nicht in Arnsdorf gewesen, als mein Kumpel ihn traf.
Als Herr Bertram nämlich am nächsten Morgen erwachte, fand er die Scherben und die Haare Clarissas noch im Mülleimer. Im genau jenem Moment bemächtigte sich seiner der Wahnsinn. Er rief die Polizei an und bezichtigte sich selbst des Mordes. Später beteuerte er, niemanden ermordet zu haben. Nur eine Phantasiegestalt, die ihn völlig in ihre Gewalt bringen wollte, habe er vernichtet. Was hätte man anderes tun sollen, als ihn in psychiatrische Behandlung zu überstellen?
Herr Bertram läuft nun in Arnsdorf herum und nennt sich abwechselnd einen Mörder und unschuldig. Ich glaube, wenn man seine Bücher unter dieser Voraussetzung mit der notwendigen Publicity verlegt, werden es Bestseller. Egal, wie gut oder miserabel sie sind.
Der alte Mann beendete mit diesen Worten seine Geschichte.
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