The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
Zuflucht unter einer Weide nahm. Eine fremde Tabaknote mischte sich unter den sauberen Regengeruch, dann kam ein Reiter gemächlich an der Weide vorbei.
Sie wollte weder gefasst werden noch aufgeben. Sie lauschte, bis das von Platschen begleitete Hufgetrappel sich in der Ferne verlor. Wetterleuchten verwandelte den Sumpf in eine weite, schwarz-weiße Landschaft, wüst und lebendig zugleich. Sie starrte ins Dunkel, hoffte auf weitere Blitze, doch dann, als der Donner verklang, hörte sie wieder einen Schrei – bloß war es diesmal weder ein Baby noch ein Vogelruf. Es war der Schmerzensschrei einer Frau in den Wehen.
Der vertraute Schrei traf sie bis ins Mark; sie löste sich aus dem Schatten des Baums und eilte den Weg hinab, der Quelle des Schreis entgegen. Auf der schmalen Veranda einer kleinen Hütte mit einem Spitzdach hielt sie inne, gerade als der Schrei erneut ertönte und langsam verebbte. Entschlossen klopfte Gaia an die Fliegengittertür.
»Will?«, rief eine Frau.
»Hier ist Gaia Stone«, rief sie. Sie blinzelte die Regentropfen von ihren Wimpern und wartete.
Niemand kam. Gaia spähte durch das Fliegengitter nach drinnen. Hüfthohe Bücherregale säumten die Wände, und auf dem Kaminsims stapelten sich weitere Bände. Eine Lampe mit rosa Schirm brannte auf einem Tisch. Gaia zog die schlammigen Socken aus und versuchte, sich den Regen aus dem Haar und von den Armen zu schütteln. Als immer noch niemand kam, zog sie vorsichtig die Tür auf und trat ein. Über sich auf dem Dach konnte sie den Regen prasseln hören.
»Hallo?«, rief sie.
Auf Zehenspitzen durchquerte sie den kurzen Flur zu einem Durchgang mit einem Perlenvorhang und strich ihn beiseite. Es bot sich ihr ein Bild voller Gegensätze: eine schlanke, rothaarige Frau in ordentlichen braunen Hosen und einer sauberen, plissierten Bluse stand neben einem Bett, in dem ein völlig aufgelöstes schwangeres Mädchen verzweifelt gegen die Schmerzen der Geburt ankämpfte.
Der Blick der Frau wanderte von Gaias durchnässten Kleidern zu ihren schmutzigen Füßen. »Sicher, dass du die richtige Party erwischt hast?«
Gaia lachte und krempelte die nassen Ärmel hoch. »Wie heißt sie? Wie lange liegt sie schon in den Wehen?«
»Das ist Fräulein Josephine. Es begann nach dem Mittagessen. Ich bin Fräulein Dinah. Willkommen.«
Josephine trug ein nass geschwitztes graues Nachthemd. Ihre Haut war dunkel und glänzte vom Schweiß, und in ihren Augen stand die blanke Angst. Wild warf sie sich herum und krümmte sich zusammen.
»O nein!«, rief sie und strich sich panisch eine dunkle Strähne aus dem Mund. »Es geht schon wieder los. Hilf mir, Dinah!« Sie griff nach der Hand der anderen und hielt den Atem an. Eine quälend lange Zeit biss sie die Zähne zusammen.
Das ist nicht gut , dachte Gaia und hoffte, dass die Qualen der Mutter nicht Anzeichen einer Komplikation waren. Bevor die nächsten Wehen kamen, musste sie bereit sein.
Sie sah sich um und prüfte, was sie zur Verfügung hatte: Im Kamin brannte ein Feuer, und es gab genug saubere Betttücher. Zwei Öllampen gaben gutes Licht, und das Bett stand in der Mitte des Zimmers, sodass man es von beiden Seiten gut erreichen konnte. Gaia wusch sich die Hände im Becken in der Ecke. Sie würde mehr Wasser brauchen und ein Messer. Wenn sie doch nur ihre alte Hebammentasche bei sich hätte!
Josephine keuchte immer schneller und verdrehte die Augen. Dinah warf Gaia einen skeptischen Seitenblick zu. »Du hast wohl nicht zufällig Erfahrung mit so was.«
»Und ob ich die habe.« Gaia trat neben die junge Mutter. »Also gut, Josephine – versuch, dich vor der nächsten Wehe etwas aufzusetzen, einverstanden? Zieh die Knie lieber an.« Sie nahm Josephines Hand und schob ihr ein paar Kissen in den Rücken. »Ist das dein erstes Kind? Wie alt bist du?«
»Es ist mein erstes«, nickte Josephine. »Und ich bin siebzehn. Es tut bloß so weh! Ist das normal?«
Gaia lächelte beruhigend. »Es ist normal, dass es etwas wehtut, aber du wirst das schon schaffen. Ich bin Gaia, und ich möchte, dass du mir jetzt gut zuhörst: Wenn die nächsten Wehen kommen, schaust du mir in die Augen, okay? Mach sie nicht zu. Und das Atmen nicht vergessen! Ich werde dir helfen. In Ordnung? Kriegst du das hin?«
Das Mädchen strich sich die schwarzen Locken aus dem Gesicht und nickte, schon etwas gefasster. »Gut, ich versuche es. Du siehst jünger aus als ich. Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
Gaia lächelte wieder. »Das ist
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