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The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

Titel: The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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vor und stellte ihr einen Stuhl ans Feuer. Sie half ihr, sich hinzusetzen, dann lachte sie. »Deine Kleider sind ja immer noch ganz feucht. Ich hol dir was Trockenes.«
    »Es geht schon«, wehrte Gaia ab.
    »Dann wenigstens etwas für deine Füße. Deine Zehen werden ja schon blau. Wieso bist du überhaupt barfuß?«
    »Ich habe meine Stiefel nicht gefunden. Meine Socken liegen draußen vor der Tür.«
    Dinah warf ein paar Scheite aufs Feuer, dann suchte sie Gaia trockene Socken und ein Paar alte Schuhe heraus, die Gaia viel zu groß waren. Vorsichtig wärmte Gaia ihre Füße am Feuer. Dann griff sie nach der Uhr, dem Einzigen, was ihr von ihren Eltern geblieben war, und hielt sie ins Licht. Sie fuhr mit dem Daumen über die Gravur im Deckel: Das Leben zuerst.
    Jetzt, da ihre Eltern beide tot waren und man ihr ihre Schwester genommen hatte, konnte Gaia wenig Trost in dem Motto finden. Das Leben an die erste Stelle zu setzen, hatte ihren Eltern nicht geholfen. Wenn überhaupt, dann hatten sie etwas gefunden, für das es wert war, zu sterben. Oder sich töten zu lassen. Mit sanftem Klicken schloss sie den Deckel.
    Josephines müde Augen verfolgten sie vom Bett aus. Ihr feuchtes schwarzes Haar fiel ihr in wilden Locken in die Stirn, und ihr Lächeln wirkte lieblich und einnehmend, wie sie da mit dem Finger ihrer Tochter über das Gesichtchen fuhr.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich euch je für heute Nacht danken soll«, murmelte Josephine. »Euch beiden.«
    Dinah gab dem Mädchen einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Keine Ursache.«
    Zu diesem Zeitpunkt hätte Gaia früher eine Tasse Tee mit der Mutter getrunken und dem Neugeborenen das Zeichen des Orion aufs Fußgelenk tätowiert. Doch heute hatte sie weder Nadel noch Tinte, und sie hatte auch keine Mutter mehr, für die sie die Tradition lebendig halten konnte. Trauer übermannte sie, plötzlich und heftig. Sie vermisste ihre Mutter so sehr, sie bekam kaum noch Luft. »Entschuldigung«, sagte sie und stand auf. »Wo ist die Toilette?«
    »Hinterm Haus«, sagte Dinah. »Einfach den Flur runter und zur Hintertür raus. Nimm dir lieber ein Licht mit.«
    Gaia konnte sich beherrschen, bis sie nach draußen trat, doch sobald sich der Regen wie ein Vorhang vor ihr gesenkt hatte, sank sie unter dem kleinen Vordach der hinteren Veranda in sich zusammen. Sie legte die Arme um die Knie und bettete den Kopf darauf. Gerade hatte sie zum ersten Mal wieder bei einer Geburt geholfen. Es kamen immer noch Kinder zur Welt, während ihre Mutter und ihr Vater in einer weit entfernten Stadt begraben lagen – Gaia wusste nicht einmal, wo genau. Über ihr am Himmel krachte der Donner.
    Gaia rang nach Luft. Das Atmen fiel ihr unglaublich schwer und war beinahe schmerzhaft. Der Kummer raubte ihr fast die Sinne, und sie wünschte sich einfach nur ihre Mutter zurück. Die Brandnarbe in ihrem Gesicht machte ihr nichts mehr aus. Sie wünschte, sie könnte die vergangenen Monate ungeschehen machen und wieder in ihrem alten Zuhause sein, das vertraute Klappern ihres Vaters an der Nähmaschine hören und von ihrer Mutter einen Gutenachtkuss bekommen.
    Doch sie würde keinen von beiden je wiedersehen.
    Ein Stöhnen entrang sich ihrer Brust. Der Hals tat ihr weh. Ich hoffe, man hat sie wenigstens nebeneinander begraben .
    Da öffnete sich die Tür und stieß ihr in den Rücken. Ein milder Lichtschein legte sich auf sie.
    »Gaia?«, fragte Dinah. »Geht es dir gut?«
    Gaia schniefte und wischte sich die Tränen mit dem nassen Ärmel ab.
    »Was machst du denn hier draußen?«, fragte Dinah.
    »Tut mir leid. Wie geht’s Josephine?«
    »Ganz gut soweit. Doch wie steht’s mit dir?«
    Gaia rappelte sich auf, brachte es aber nicht über sich, Dinahs Blick zu begegnen. Sie spürte, dass es sie jeden Moment wieder übermannen würde, und schämte sich, vor anderen zu weinen. Dann tat sie es dennoch.
    »Du Armes«, sagte Dinah. »Komm doch wieder rein. Vielleicht können wir dich etwas aufwärmen.«
    »Es ist einfach so unfair«, schluchzte Gaia.
    Dinah schloss sie fest in die Arme und führte sie wieder nach drinnen. Dann hielt sie ihr den Perlenvorhang auf und schob sie Richtung Feuer.
    »Was ist denn los?«, fragte Josephine.
    Gaia streifte die Schuhe ab und zog die Füße zu sich auf den Stuhl. Sie musste zu weinen aufhören. Sie musste einfach. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und spürte, wie Dinah ihr ein großes, weiches Handtuch um die Schultern legte. Ein Zittern überkam sie und brach sich

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