The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
Erklärungen.«
Der Kutscher nickte und der Gentleman kletterte die Stufen zu dem übel riechenden Wagenraum hinauf und bückte sich, um sich nicht den Kopf anzustoßen. In dem vollgestopften Raum verbreitete lediglich eine Laterne, die an einem Draht aufgehängt war, schwaches Licht. Nach einem kurzen Moment hatten sich seine Augen darauf eingestellt und nahmen Einzelheiten wahr. Um ihn herum standen Kanopenkrüge, Glasflaschen mit haarlosen, rosafarbenen Kreaturen, winzige Schreine, mit Hieroglyphen beschriftet, Schrumpfköpfe, die an Drähten baumelten, und ein ausgestopfter Körper, der halb Katze, halb Hase war. Der Herr hatte derartige ausgestopfte Kreaturen schon gesehen, doch dies war ein sehr gutes Exemplar – man konnte nicht einmal erkennen, dass es zusammengenäht war. Er verschaffte sich rasch einen Überblick über die Sammlung, trat dann mit eingezogenem Kopf unter der Laterne hindurch und quetschte sich an einer ausgestopften Schlange und einer Riesenfledermaus mit Glasmurmeln als Augen vorbei.
Am hinteren Ende des Raums stand ein Käfig, der mit einem schwarzen Tuch verhüllt war. Er beugte sich weit vor und vernahm keuchende Atemgeräusche unter dem Tuch. Ohne zu zögern, riss er die Abdeckung beiseite.
Zwei unterschiedlich große Augen starrten ängstlich zu ihm hinauf. Darüber war rotes Haar zu erkennen, das einen unförmigen, pockennarbigen Schädel überzog. Der Gentleman schreckte zurück. Er hatte etwas Hässliches erwartet, doch dieser Anblick übertraf seine Vorstellungskraft. Eine wahrhaft erbärmliche Kreatur kauerte in dem Käfig und drückte sich an die Gitterstäbe. Sie trug eine Weste aus Schakalfell, die wegen des riesigen Buckels auf dem Rücken nicht richtig passte. Mitleid schlich sich in das Herz des Gentleman.
Die bedauernswerte Missgeburt war höchstens ein Jahr alt. Sie stand aufrecht, doch der kleine Käfig zwang sie, den Hals zu krümmen, wodurch der Buckel noch deutlicher hervortrat. Am unteren Käfigrand war eine Tafel angebracht, auf der stand: L’ENFANT DU MONSTRE.
Der Herr konnte seinen Blick nicht abwenden. Die Arme der Kreatur wirkten kräftig und ihre Beine ungewöhnlich muskulös, aber krumm und verwachsen. Die Natur hatte sich ausnehmend grausam gezeigt.
Das Ding zitterte, schien jedoch neugierig zu werden. Es blinzelte und wimmerte leise. Der Gentleman betrachtete es prüfend. Die Reise hätte er sich sparen können. Drei Tage war er von London in die Provence unterwegs gewesen, nur um ein Kind vorzufinden, das in seiner Hässlichkeit gefangen war. Sein Informant hatte in den höchsten Tönen von ihm gesprochen, hatte gesagt, die Kreatur sei unbeschreiblich und von unschätzbarem Wert. Ah! Der Halunke würde seinen Zorn zu spüren bekommen. Er hatte Zeit vergeudet und dabei galt es, keine Zeit zu verlieren. Englands Feinde kamen währenddessen ihrem Ziel ein Stück näher.
Er wandte sich ab, doch die Kreatur wimmerte erneut und flüsterte: » Puh-puh-père? «
Vater?
Der Herr hielt inne. Die Stimme klang so menschlich, so traurig und sie berührte eine Saite in seinem Herzen. Vor Jahren hatte er eine Frau. Sie war bei der Geburt ihres Kindes gestorben. Ein Junge. Er lebte gerade so lange, dass sein Vater ihn einmal im Arm halten konnte. Der Gentleman schluckte. Das gehörte der Vergangenheit an und wurde besser aus der Erinnerung gestrichen.
Dennoch drehte er sich erneut zu der Kreatur um. Angesichts ihrer Größe und Statur entschied er, dass es sich gleichfalls um einen Jungen handeln musste, einen monströsen, missgestalteten Jungen. Der Herr überlegte, ob er etwas zu essen in seinen Taschen hatte. Wie töricht. Es war Zeit, zu gehen.
Der Junge sagte: » N-n-non p-p-partir «, und in seinem Blick lag eine solch abgrundtiefe Traurigkeit, dass der Gentleman wie gelähmt stehen blieb. Dann entfuhr dem Jungen ein kurzer Schrei und er ballte die Fäuste, als würde er einen stechenden Schmerz spüren. Sein Gesicht verzerrte sich, was es zunächst noch hässlicher werden ließ.
Der Herr konnte den Blick nicht abwenden. War das möglich? Veränderte das Kind tatsächlich sein Aussehen, verwandelte es sein Gesicht, sodass seine Züge … gefälliger wurden? Der Junge wimmerte. Seine Nase, eben noch krumm und mit breiten Nasenflügeln, wirkte jetzt gerader. Es war, als ob der kleine Junge das Entsetzen in den Augen des Herrn gesehen hätte und sich mit Willenskraft dazu zwänge, ein ansprechenderes Äußeres anzunehmen. Die Stirn war jetzt flacher, die
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