The Road of the Dead
zu werden.«
»Ja, gut.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
Merton sah ihn an, das Gesicht ganz erregt. Cole starrte zurück. Merton öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch als er den Blick in Coles Augen sah, änderte er plötzlich seine Absicht.
Ich verstand, warum.
Seit Rachels Tod war Cole so tief in sich versunken, dass sich schwer sagen ließ, ob er überhaupt noch etwas empfand. Es war einfach nichts da. Keine Traurigkeit, kein Schmerz, kein Hass, |16| keine Wut. Das war erschreckend.
»Ich mach mir Sorgen um ihn«, hatte mir Mum erst an diesem Morgen vor unserem Aufbruch gesagt. »Hast du seine Augen gesehen? Es fehlt was darin. So hat dein Vater immer unmittelbar vor einem Kampf geguckt – als wäre ihm egal, ob er am Leben bleibt oder stirbt.«
Ich wusste, sie hatte recht. Auch Merton wusste das. Deshalb tat er so, als würde er die Akten auf seinem Schreibtisch betrachten – dabei versuchte er, den Blick in Coles Augen zu vergessen. Damit hatte er allerdings wenig Glück. Das ist kein Blick, den man schnell vergisst.
»Tja, also«, sagte er nach einer Weile und schaute zu Mum auf. »Es war sehr nett von Ihnen, dass Sie extra den weiten Weg zu mir gekommen sind, Mary, aber solche Umstände hätten Sie sich wirklich nicht machen müssen. Wie ich Ihnen schon sagte, es ist völlig in Ordnung für mich, Sie zu Hause aufzusuchen, wann immer Sie wollen. Dafür bin ich ja schließlich da. Zu jeder Zeit, Tag und Nacht, egal, was ist –«
»Ist schon okay so«, antwortete ihm Mum. »Wir möchten lieber unter uns sein, vielen Dank.«
»Natürlich«, sagte Merton lächelnd. »Aber wenn Sie es sich anders überlegen –«
»Sicher nicht.«
Merton sah Mum einen Augenblick an, dann nickte er und redete weiter. »Gut, also ich glaube, ich habe Ihnen schon am Telefon erzählt, dass inzwischen Ihr Schwager Rachels Leiche eindeutig identifiziert hat.« Er machte eine kurze Pause und tat so, als würde er drüber nachdenken. »Ich glaube, er ist gestern von Plymouth aus hingefahren.«
|17| »Mittwoch«, sagte Mum.
»Wie bitte?«
»Joe ist am Mittwochabend hingefahren. Gestern ist er zurückgekommen.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
Wieder nickte Mum nur.
Merton sah sie an und wartete, dass sie etwas sagte. Als sie schwieg, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Stapel auf seinem Schreibtisch zu und fing an, in den Unterlagen herumzusuchen. »Tja, also«, sagte er, »ich dachte, wir sprechen einfach noch mal über ein, zwei Dinge, wenn das für Sie in Ordnung ist.« Er schaute auf. »Ich weiß, es ist schwierig, aber in diesem frühen Stadium ist es ganz wichtig, so viel Informationen wie möglich zusammenzutragen. Und wir glauben auch, dass es am besten ist, wenn wir Sie immer auf dem neuesten Stand halten, wie unsere Nachforschungen vorangehen.« Er warf mir einen Blick zu. »Wenn Ruben nicht die ganze Zeit dabei sein will, dann können wir sicher auf –«
»Ich bin okay«, erwiderte ich.
Er warf mir einen gönnerhaften Blick zu. Ich starrte zurück. Er schaute Mum fragend an.
»Ruben weiß, was passiert ist«, sagte sie. »Das Schlimmste hat er schon mitbekommen. Wenn es noch mehr gibt, kann er das genauso wissen wie jeder andere. Er ist vierzehn. Er ist kein Kind mehr.«
»Natürlich«, sagte Merton und senkte seinen Blick auf den Haufen Unterlagen. Ich wusste, dass er nicht einverstanden war, aber ändern konnte er nicht viel daran. Er nahm ein paar Papiere vom Stapel, betrachtete sie einen Moment, dann setzte er seine Lesebrille auf und überflog den Inhalt noch einmal.
|18| Wir hatten alles schon dutzendfach gehört. Dieselben Fragen, dieselben Antworten:
Ja, Rachel war neunzehn Jahre alt.
Ja, sie war arbeitslos.
Ja, sie wohnte bei ihrer Familie unter der Adresse Ford & Söhne Auto-Ersatzteile, Canleigh Street, London E3.
Nein, sie hatte keine Feinde.
Nein, sie hatte keinen festen Freund.
Und danach die immer gleichen simplen Fakten:
Am Freitag, den 14. Mai, hatte Rachel den Zug nach Plymouth genommen, um eine frühere Schulfreundin namens Abbie Gorman zu besuchen. Abbie wohnt mit ihrem Mann in dem kleinen Dorf Lychcombe auf dem Dartmoor. Am Abend des 18. Mai brach Rachel in Lychcombe auf, um nach London zurückzufahren. Sie kam nie an. Ihre Leiche wurde am nächsten Morgen in einem abgelegenen Moorgebiet ungefähr eineinhalb Kilometer vom Dorf entfernt gefunden. Sie war vergewaltigt, misshandelt und erwürgt worden.
Ganz einfach.
Fakten.
Ich
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