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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schwankend in seinen Lumpen da und sah auf Cibola hinab, die verheißene Stadt, die Stadt der Träume. Er war ein Wrack. Das Handgelenk, das er gebrochen hatte, als er über das Geländer auf die an den Tank der Cheery Oil genieteten Treppe sprang, war nicht richtig geheilt; das Handgelenk war ein grotesker, mit einem dreckigen Verband umwickelter Klumpen. Die Knochen sämtlicher Finger hatten sich irgendwie zusammengezogen und die Hand in eine Quasimodo-Klaue verwandelt. Sein linker Arm war vom Ellbogen bis zur Schulter eine nur langsam verheilende Masse verbrannten Gewebes. Es roch nicht mehr schlecht und vereitert, aber das neue Fleisch war haarlos und rosa wie die Haut einer billigen Puppe. Sein grinsendes, irres Gesicht war von der Sonne verbrannt, rissig, stoppelbärtig und von den schorfigen Wunden seines Sturzes bedeckt, als sich der Vorderreifen seines Fahrrads vom Rahmen verabschiedet hatte. Er trug ein verblichenes blaues J.C.-Penney-Arbeitshemd, auf dem sich konzentrisch Schweißflecken ausbreiteten, und eine schmutzige Cordhose. Sein Rucksack, der vor kurzem noch neu gewesen war, hatte sich in Aussehen und Substanz seinem Besitzer angeglichen - ein Riemen war gerissen; Müll hatte ihn, so gut er konnte, zusammengeknotet; jetzt hing der Rucksack so schief auf seinem Rücken wie der Fensterladen eines Spukhauses; er war verstaubt, die Falten voll Wüstensand. An den Füßen trug Müll Turnschuhe Marke Kids, die mit Strohschnüren gebunden waren; die Knöchel ragten daraus hervor - zerkratzt, vom Sand aufgescheuert und bar jeglicher Socken.
    Er sah zu der weit entfernten Stadt hinunter. Er wandte das Gesicht dem unerbittlichen stahlblauen Himmel und der glühenden Sonne zu, die herabgleißte und ihn mit Backofenhitze einhüllte. Er schrie. Es war ein wilder, triumphierender Schrei, fast genau wie der, den Patty Kroger ausstieß, als sie Roger Rabbit mit dem Kolben seiner eigenen Schrotflinte den Schädel gespalten hatte.
    Er begann einen schlurfenden Siegestanz auf dem kochenden, hitzeflimmernden Asphalt der Interstate 15, während der heiße Wüstenwind Sand über den Highway wehte und die blauen Gipfel der Bergketten Pahranagat und Spotted mit ihren weißen Zähnen ungerührt am strahlenden Himmel sägten, wie seit Jahrtausenden. Auf der anderen Seite des Highway waren ein Lincoln Continental und ein Thunderbird fast im Sand vergraben, die Insassen hinter dem Sicherheitsglas mumifiziert. Auf Mülleimers Straßenseite hatte sich ein Stück weiter ein Kleinlaster überschlagen; nur die Räder und das Bodenblech waren noch zu sehen.
    Er tanzte. Seine Füße in den zusammengebundenen und ausgetretenen Kids hüpften wie bei einem trunkenen Volkstanz auf dem Highway auf und ab. Sein zerfetztes Hemd flatterte im Wind. Die Feldflasche klapperte gegen den Rucksack. Die losen Enden des Ace-Verbands wehten im heißen Atem des Windes. Das rosa Gewebe der verheilenden Brandwunden schimmerte häßlich. Seine Schläfenadern traten hervor wie Stricke. Er wanderte jetzt schon eine Woche durch Gottes Bratpfanne nach Südwesten durch Utah, die Spitze von Arizona und dann nach Nevada, und er war ein Irrer, total verrückt.
    Während er tanzte, sang er monoton, immer wieder dieselben Worte zu einer Melodie, die populär gewesen war, als er noch in der Anstalt in Terre Haute gesessen hatte, einem Song mit dem Titel »Down to the Nightclub« von einer schwarzen Gruppe namens Tower of Power. Aber der Text war von ihm. Er sang:
    »Ci-a-bola, Ci-a-bola, bump-ty, bump-ty, bump! Ci-a-bola, Ci-a-bola, bump-ty, bump-ty, bump!«, und auf jedes letzte bump! folgte ein Hüpfschritt, bis in der Hitze alles verschwamm und der harsche blaue Himmel dämmergrau wurde, bis er halb bewußtlos auf der Straße zusammenbrach und sein überlastetes Herz wie verrückt in der ausgedörrten Brust klopfte. Brabbelnd und grinsend zog er sich mit letzter Kraft über den umgestürzten Lastwagen und lag in dessen schwindendem Schatten zitternd und keuchend in der Gluthitze.
    »Ciabola!« krächzte er. »Bumpty-bumpty-fe«
    Er fummelte mit seiner Klauenhand die Feldflasche von der Schulter und schüttelte sie. Die Flasche war fast leer. Einerlei. Er würde den letzten Tropfen austrinken und sich hier hinlegen, bis die Sonne unterging, und dann würde er auf dem Highway nach Cibola laufen, zu den legendären sieben Städten. Heute abend würde er aus ewig sprudelnden goldenen Brunnen trinken. Aber erst wenn die Mördersonne unterging. Gott war der größte

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