The Walking Dead 2: Roman
was du getan hast.«
Sie senkt den Blick. »Du meinst, einfach wie ein Feigling davonrennen, wenn man angegriffen wird?«
»Hör mir zu. Wenn ich in deiner Lage gewesen wäre, hätte ich genau das Gleiche getan.«
»Das ist doch Bullshit, Josh. Ich habe doch nicht einmal …«, protestiert Lilly.
»Jetzt lass mich ausreden.« Er macht die Zigarre aus. »Und zweitens: Ich wollte , dass du fortrennst. Du hast mich wohl nicht gehört, aber ich habe dich angeschrien, dass du verdammt noch mal abhauen sollst. Alles andere wäre doch Schwachsinn gewesen – nur ein Hammer, aber zwei von uns inmitten einer Schar Zombies. Verstehst du, was ich dir sage? Du musst dich nicht dafür schämen, was du getan hast.«
Lilly holt tief Luft, blickt noch immer zu Boden. Eine Träne kullert ihr die Wange hinab. »Josh, das ist wirklich nett von dir, aber …«
»Wir sind ein Team, okay?« Er beugt sich vor, blickt in ihr wunderhübsches Gesicht. »Okay?«
Sie nickt.
»Wir sind das dynamische Duo, okay?«
Wieder ein Nicken. »Okay.«
»Eine gut geölte Maschine.«
»Yeah.« Sie wischt sich das Gesicht mit dem Handrücken. »Yeah, okay.«
»Dann wollen wir mal so weitermachen.« Er wirft ihr sein feuchtes Tuch zu. »Einverstanden?«
Es landet in ihrem Schoß, und endlich hebt sie den Kopf und schaut ihn an, lächelt sogar. »Verdammt, Josh. Das Ding ist ja widerlich!«
Es vergehen drei Tage, ohne dass es einen weiteren erwähnenswerten Angriff der Zombies gibt; lediglich einige kleine Vorfälle stören die Ruhe des Camps. An einem Morgen finden ein paar Jungen die noch zuckenden Überreste eines Untoten in einem Straßengraben. Der graue Schädel voller Maden starrt in immerwährenden Qualen zu den Baumwipfeln hinauf. Überhaupt hat es den Anschein, als ob der Körper nähere Bekanntschaft mit einem Mähdrescher gemacht hat, und wo einmal Gliedmaßen waren, ragen jetzt Stummel aus Schultern und Becken hervor. Niemand weiß, wie der Torso dahin gekommen ist. Chad erlöst die Kreatur mit einem einzigen Hieb einer Hacke durch den verrottenden Nasenknochen. Ein anderes Mal merkt ein bereits betagter Camper, dass er gerade auf einen Zombie kackt, und kriegt beinahe einen Herzinfarkt. Irgendwie hat der Untote es geschafft, in der Latrine stecken zu bleiben. Aber es dauert nicht lange, ehe einer der jüngeren Männer ihn mithilfe einer Zeltstange ins Jenseits befördert.
Ansonsten aber ist und bleibt alles ruhig, und das Zeltcamp erlebt eine ziemlich ruhige Wochenmitte.
Die Atempause erlaubt den Bewohnern, sich zu organisieren, die letzten Unterkünfte aufzubauen, Vorräte zu verstauen, die Umgebung zu erkunden, eine gewisse Routine zu entwickeln, Koalitionen, Cliquen und Hierarchien zu formen. Die Familien, insgesamt zehn an der Zahl, scheinen mehr Sagen zu haben als die Einzelgänger. Das hat wohl mit dem Risiko der größeren Verantwortung bezüglich der Kinder, vielleicht sogar mit einer Art Symbolik zu tun. Es könnte aber auch lediglich die Tatsache eine Rolle spielen, dass sie die genetischen Samen der Zukunft tragen. Ganz gleich, wie der Grund auch lauten mag, Familien haben Vorrang.
Aus den Patriarchen der Familien erhebt sich de facto Chad Bingham als Anführer. Jeden Morgen hält er kommunalen Familienrat im großen Zirkuszelt, verteilt Aufgaben mit der lockeren Lässigkeit eines Mafioso-Bosses. Täglich stolziert er ums Camp, eine Beule in der Wange von seinem Kautabak, in der Hand die Pistole, so dass auch jeder sie sieht. Lilly macht sich Sorgen, dass dieser Ersatz-Anführer seine Probleme mit dem immer näher kommenden Winter haben wird. Außerdem gibt es da noch die unheimlichen Geräusche, die immer wieder aus Richtung des Waldes an ihre Ohren dringen. Noch dazu hat er ein Auge auf Megan geworfen, die bereits mit einem anderen Familienvater zusammengezogen ist und dessen Frau quasi aus dem Zelt geschmissen hat. Lilly ist sich nicht sicher, ob der Anschein von Ordnung nicht eher einem Pulverfass gleicht.
Lillys und Joshs Zelte stehen keine zehn Meter voneinander entfernt, und jeden Morgen wacht sie auf, öffnet den Reißverschluss, trinkt ihren entkoffeinierten Instant-Kaffee, blickt auf Joshs Zelt und versucht, mit ihren Gefühlen für den großen Mann ins Reine zu kommen. Ihre Feigheit macht ihr noch immer zu schaffen, verfolgt sie, verseucht ihre Träume. Immer wieder taucht die mit Blut besudelte Bustür in Atlanta vor ihrem inneren Auge im Schlaf auf. Aber jetzt ist es nicht mehr ihr Vater, der draußen
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