The Walking Dead 2: Roman
langsam zu Boden gezerrt wird, sondern Josh.
Seine anklagenden Augen starren sie an, bis sie in kalten Schweiß gebadet aufschreckt.
Während einer dieser mit Albträumen geplagten Nächte, in denen sie so oft wach liegt – eingepackt in ihren verschimmelten Schlafsack im Zelt, das sie auf einem verlassenen Zeltplatz gefunden hatte und das nach Rauch, getrocknetem Sperma und fahlem Bier stank –, vernimmt sie auf einmal merkwürdige Geräusche. Undeutlich und weit entfernt, aus der fernen Finsternis noch hinter dem Wald, mischen sich merkwürdige Töne von unbeholfenem Herumstolpern unter das übliche Rascheln von Laub und das Zirpen der Zikaden. Es erinnert Lilly an alte Schuhe, die in einem Trockner hin und her poltern.
Vor ihrem inneren Auge, das vor Terror bereits benebelt ist, beschwören die Laute fürchterliche Bilder von forensischen Schwarz-Weiß-Fotos, verstümmelten Leichen, bereits schwarz gefärbt von der Totenstarre, die sich aber trotzdem noch bewegen, von toten Gesichtern, die sich nach ihr umdrehen und sie gierig anstarren, und stummen Snuff-Filmen von tanzenden und wie wild zuckenden Kadavern hervor. Jede Nacht, die sie so schlaflos verbringt, grübelt Lilly über die Geräusche nach, was sie bedeuten können, was da draußen passiert und wann wohl der nächste Angriff kommt.
Einige der besonneneren Camper haben bereits ihre eigenen Theorien aufgestellt.
Ein junger Mann aus Athens namens Harlan Steagal, ein nerdiger Student mit dicker Hornbrille, hält allabendliche Philosophie-Runden am Lagerfeuer. Zugedröhnt mit Pseudoephedrin, Pulverkaffee und schlechtem Weed sucht ein halbes Dutzend Sonderlinge und Außenseiter nach Antworten auf die Fragen, die jeden beschäftigen: Woher kommt die Plage? Welche Zukunft hat die Menschheit? Und dringendste von allen: Inwiefern sind die Zombies berechenbar?
Die Denkfabrik ist sich in einem einig, nämlich, dass es zwei Möglichkeiten gibt: (a) Es handelt sich lediglich um wabblige Nervenenden mit Zähnen, die gegeneinander stolpern und einfach »ausgeschaltet« werden müssen, oder (b) sie haben mit komplexeren Vorgängen zu tun, hinter die noch kein Überlebender gekommen ist. Die letztere Möglichkeit wirft die Frage auf, wie die Plage von den Toten an die Lebenden übertragen wird – ist es der Biss der Untoten? Außerdem, wie steht es um das Hordenverhalten und mögliche Konditionierungs- oder Lernkurven und noch umfassendere genetische Imperative?
In anderen Worten, und wie Harlan Steagal es auszudrücken pflegt: »Sind diese bekackten, untoten Dinger irgendeine abgefuckte, trippige Evolutionssache?«
Drei Nächte lang überhört Lilly die bis tief in die Nacht andauernden Unterhaltungen, achtet aber kaum darauf. Sie hat keine Zeit für Mutmaßungen oder blödsinnige Analysen. Je länger die Zeltstadt nicht angegriffen wird, desto verletzlicher fühlt sich Lilly – trotz sämtlicher Vorsichtsmaßnahmen. Jetzt, da die meisten Zelte und Unterkünfte stehen und die Autos eine Barriere um den gesamten Platz bilden, ist es ruhiger geworden. Die Leute leben sich ein, kümmern sich hauptsächlich um sich selbst, und die wenigen Lagerfeuer oder Kochstellen werden rasch wieder ausgemacht, damit man nicht unnötig ungebetene Gäste mit dem Rauch anlockt.
Und trotzdem wird Lilly von Nacht zu Nacht nervöser. Es kommt ihr vor, als ob eine Kaltfront auf sie zuzieht. Der wolkenfreie, kristallklare Nachthimmel macht jeden Morgen Frost Platz, der sich über den Boden, die Autos und die Zelte zieht. Die zunehmende Kälte spiegelt Lillys dunkle Vorahnung wider. Irgendetwas Fürchterliches liegt in der Luft.
Eines Abends, kurz bevor Lilly Caul sich in ihr Zelt legt, holte sie einen kleinen, in Leder gebundenen Kalender aus ihrem Rucksack. Seit Anfang der Plage, die immerhin schon mehrere Wochen anhält, haben die meisten elektronischen Geräte aufgehört zu funktionieren. Das Stromnetz existiert nicht mehr, Batterien sind leer, Dienstanbieter von mobilen Netzwerken oder Internet sind von der Erdoberfläche verschwunden, so dass die Welt sich wieder auf Ziegelsteine, Mörtel, Papier, Feuer, Fleisch, Blut, Schweiß und, wenn möglich, den Verbrennungsmotor beschränkt. Lilly ist nie im digitalen Zeitalter angekommen – ihre Wohnung in Marietta ist mit Schallplatten, Transistorradios, mechanischen Uhren und Erstauflagen vollgestopft –, so dass sie keinerlei Probleme hat, jetzt die Plage und ihren Lauf in ihrem kleinen, schwarzen Büchlein mit einem
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