The Walking Dead 2: Roman
Getränkekartons zusammen mit einem Behälter aus Plastik voll dreckigem Besteck. Es stammt aus einem nachgerüsteten Campervan, und Lilly sieht inmitten der vielen mit Essensresten beklebten Plastiklöffel ein paar scharfe Plastikmesser. Was würde wohl so ein Löffel bei einem geifernden, hungrigen, monströsen Untoten anrichten?
Insgeheim verflucht sie die Anführer, dass sie alle Feuerwaffen mitgenommen haben.
Ein paar ältere Mitbewohner sind noch im Lager, unter anderem Mr. Rhimes, ein paar alte Jungfern aus Stockbridge, ein achtzigjähriger ehemaliger Lehrer namens O’Toole und zwei greise Brüder aus einem Altersheim in Macon. Der Rest: Frauen. Ein paar kümmern sich um die Wäsche und unterhalten sich, während sie am Zaun Wache halten.
Ansonsten gibt es nur noch die Kinder – zehn Geschwisterpaare. Manche haben sich in ihren eigenen Zelten gegen die Kälte verkrochen, andere spielen unter Aufsicht einer Erwachsenen Fußball vor dem verlassenen Bauernhof.
Lilly schaut aus dem Hinterausgang und erspäht Megan Lafferty in der Ferne, die auf der Veranda eines ausgebrannten Hauses sitzt und so tut, als würde sie Babysitten, anstatt Gras zu rauchen. Lilly schüttelt den Kopf. Megan soll auf die Hennessy-Kinder aufpassen. Jerry Hennessy, ein Versicherungsmakler aus Augusta, treibt es jetzt schon seit Tagen mit Megan – und zwar so, dass es jeder mitkriegt. Die Hennessy-Kinder sind mit acht, neun und zehn die zweitjüngsten im Camp. Die jüngsten sind die Bingham-Zwillinge und Ruthie, die gerade erwartungsvoll zu ihrer nervösen Babysitterin aufblicken.
»Nun mach schon, Lilly«, ruft Sarah Bingham, die Hände gegen die Hüften gestemmt. Sie steht neben ein paar Obstkisten und schnappt nach Luft. Die Teenagerin trägt einen hübschen, modischen Pullover aus Angora-Imitat, der Lilly beinahe das Herz bricht. »Sing weiter!«
Lilly dreht sich wieder zu den Kindern um. »Es tut mir leid, aber ich wollte nur …«
Lilly hält inne. Sie hört ein Geräusch von draußen, vom Wald. Es klingt wie ein knarzender, altersschwacher Schiffsrumpf … oder wie das Knarzen in einem spukenden Haus … oder, und das ist wesentlich wahrscheinlicher, wie ein Zombie, der durch umgefallene Bäume stolpert.
»Mädchen, ich …«
Wieder ein Geräusch, diesmal unterbricht es Lilly. Sie schaut zum großen Eingang hinaus. Der Lärm kommt von Osten und lässt Lilly aus einer Entfernung von hundert Metern verstummen. Er stammt wohl aus dem Dickicht von wilden Rosen und Dornsträuchern.
Eine Schar Felsentauben erhebt sich plötzlich aus dem Wald mit der Schnelle eines Feuerwerks. Lilly starrt wie gelähmt auf das Spektakel. Auf einmal ist der Himmel voller grauschwarzer Punkte.
Wie regelmäßig ausgeführte Explosionen fliegen zwei weitere Vogelscharen in der Nähe des Zauns auf. Wahre Hundertschaften von wild flatternden Vögeln fliegen umher, ehe sie sich wie einzelne Tintenkleckse zu einem großen Fleck formieren.
In der Gegend hier gibt es Scharen von Felsentauben – »Luftratten«, wie die Einheimischen sie nennen, obwohl sie die Vögel gerne braten und essen. Manche reden sogar von einer Delikatesse. Aber während der letzten Wochen hieß ihr plötzliches Erscheinen immer, dass etwas Düsteres, Fürchterliches bevorstand, das wenig mit einem Festmahl gemein hatte.
Irgendetwas hat die Vögel aus ihren Nestern aufgescheucht und bewegt sich jetzt in Richtung Zeltplatz.
Drei
Mädchen, jetzt hört mir mal gut zu.« Lilly eilt zu den Kindern und nimmt das kleinste Bingham-Mädchen in die Arme. »Ich will, dass ihr sofort mit mir kommt.«
»Warum?«, will Sarah wissen und zieht eine schmollende Teenagerschnute. »Was ist denn los?«
»Bitte widersprich mir jetzt nicht, Sarah«, bittet Lilly leise, und ihr Blick bewirkt bei der Teenagerin, dass sie der Erwachsenen ohne Widerworte folgt. Sarah dreht sich rasch um und nimmt die Zwillinge an der Hand, ehe sie die beiden in Richtung Ausgang drängt.
Lilly hält mitten auf der Schwelle nach draußen inne, als sie den ersten Zombie aus dem Wald stolpern sieht – ein großer Mann ohne Haare, der Schädel die Farbe eines Blutergusses, die Augen milchig weiß. Sie kehrt wieder um, nimmt Ruthie auf den Arm und flüstert hastig: »Planänderung, Mädchen, Planänderung.«
Eilig drängt sie die Mädchen wieder in das dämmrige, nach Schimmel riechende Zelt. Sie setzt die Siebenjährige bei einem Koffer ab. »Und jetzt macht keinen Mucks mehr, verstanden?«, flüstert Lilly
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