The Walking Dead: Roman (German Edition)
Tor auf, wo es durch keine Büsche verdeckt wird, und lehnt es an die Mauer.
Dann drückt er die hölzernen Beine in die weiche Erde, um dem Ganzen etwas Halt zu geben, ehe er zurück zum Wagen sprintet. Er ist zufrieden, seinen Teil für die Menschheit getan zu haben – oder was von ihr übrig ist.
Ehe sie davonrasen, drehen sich alle noch einmal um – selbst Penny – und blicken zurück. In der Ferne ist das Schild zu sehen. Darauf steht:
ALLE TOT !
NICHT BETRETEN !
Fünf
S ie halten sich in westlicher Richtung, wobei sie nicht schneller als fünfzig Stundenkilometer durch die Nacht fahren. Die vier Spuren der Interstate 20 sind mit zurückgelassenen Autos übersät. Die Straße führt auf ein schwaches Licht am Horizont des Nachthimmels zu. Sie sind gezwungen, sich so langsam durch die Wracks zu schlängeln, dass sie beinahe die Geduld verlieren. Doch immerhin schaffen sie beinahe zehn Kilometer, ehe es anfängt, wirklich schwierig zu werden.
Philip ist die meiste Zeit in Gedanken an Bobby vertieft. Was hätten sie bloß tun können, um ihm das Leben zu retten? Leid und Trauer graben sich jetzt tief in sein Bewusstsein – wie ein Krebsgeschwür, dessen Metastasen immer weiter wuchern. Um die düsteren Gedanken zu vertreiben, denkt er an ein altes Trucker-Sprichwort: Immer nur kurz anschauen, aber nicht anstarren. Er hält das Lenkrad mit der Lässigkeit eines alten Fernfahrers, richtet sich auf, konzentriert sich und versucht zu sehen, was sich an den Leitplanken abspielt.
Über acht Kilometer hinweg sieht er lediglich eine Handvoll Toter im Lichtkegel der Scheinwerfer.
In der Nähe von Conyers kommen sie an zwei Nachzüglern vorbei, die auf dem Haltestreifen daherschlurfen wie blutbesudelte Kriegsgefangene. Als sie an der Stonecrest Mall vorüberfahren, bemerken sie eine Traube dunkler Gestalten, die in einem Graben hockt und sich anscheinend an etwas labt – ob an Mensch oder Tier, das kann man in der Dunkelheit nicht sagen. Sonst sehen sie niemanden – zumindest während der ersten acht Kilometer nicht. Philip fährt stete und sichere fünfzig. Sicher, weil bei weniger als fünfzig Stundenkilometern die Gefahr besteht, ein Monster mitzunehmen, ohne es zu zerfetzen, und weil sie bei mehr als fünfzig garantiert an dem einen oder anderen Autowrack anstoßen und ins Schleudern geraten würden.
Das Radio funktioniert nicht mehr. Sie kurven ohne ein Wort zu sagen um die verlassenen Wagen herum, den Blick auf die Landschaft gerichtet.
Langsam nähern sie sich Atlanta. Sie lassen die ersten Trabantenstädte links liegen, die von Pinienwäldern oder auch Einkaufszentren durchbrochen werden. Große Autohäuser stehen düster wie Leichenschauhäuser an der Interstate. Im milchigen Mondlicht gleichen die endlosen Reihen von Neuwagen zahllosen Särgen. Sie fahren an einer leer stehenden Waffelbäckerei vorbei. Die Fenster sind eingeschlagen. Verlassene Bürogebäude mit ihren riesigen Parkplätzen erinnern an Kriegsgebiete. Die Restaurants, Caravan-Parks, K-Marts und Wohnmobilzentren links und rechts der Autobahn sind verwüstet. Kleine Feuer brennen hier und da, die Parkplätze wirken wie düstere Spielwiesen, die herrenlosen Autos auf dem Bürgersteig wie Spielzeuge, die jemand wütend weggeworfen hat. Überall liegt zerbrochenes Glas herum und schimmert unheilvoll im Mondlicht.
In weniger als eineinhalb Wochen hat die Plage das Randgebiet von Atlanta völlig zerstört. Hier, inmitten der Naturparks, Bürolandschaften und Vorstadtsiedlungen – dem Traum des typischen Mittelständlers, um dem mühsamen Pendeln von weit draußen herein ebenso wie den wahnwitzigen Hypotheken und dem stressvollen Leben in der Stadt zu entrinnen –, hat die Epidemie alles in wenigen Tagen in Schutt und Asche gelegt. Aus irgendeinem Grund verstört Philip der Anblick der zerstörten Kirchen am meisten.
Jedes Gotteshaus, an dem sie vorbeifahren, sieht noch schlimmer aus als das vorherige: Aus dem New Birth Missionary Baptist Center kurz vor Harmon steigt Rauch auf. Das verkohlte Kreuz auf dem Dach ragt anklagend in den Himmel. Zwei Kilometer weiter entdecken sie am Luther Rice Seminary hastig gepinselte Schilder über der Eingangstür, auf denen Vorüberfahrende darauf hingewiesen werden, dass das Ende nahe und keine Hoffnung mehr für die Sünder sei. Die Unity Faith Christian Cathedral sieht so aus, als ob sie zuerst geplündert worden wäre, ehe man sie anderweitig entweihte. Der Parkplatz von St. John the
Weitere Kostenlose Bücher