Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
gezwungen?«
April wirkte unsicher. Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu, aber die starrte auf ihre Stiefel.
»Von einer Entführung kann man nur sprechen, wenn das Opfer gegen seinen Willen weggebracht wurde.«
April schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht gezwungen worden. Ich wollte weg. Ich hatte furchtbare Angst.«
Slater holte tief Luft und sah May Finnemore an, die immer noch jedem Blickkontakt auswich. »Gut. Die zweite Frage ist, ob du gegen deinen Willen festgehalten wurdest. Wolltest du irgendwann weg, und es wurde dir verboten? Manchmal gibt es Entführungen, bei denen das Opfer ursprünglich freiwillig, zumindest ohne Widerstand mitgeht, aber dann vom Entführer festgehalten wird, wenn es nach Hause will. Von da an wird das zur Straftat. War das bei dir so?«
April verschränkte die Arme vor der Brust und biss die Zähne zusammen. »Nein, das war nicht der Fall. Mein Vater hat die ganze Zeit gelogen. Er hat mir erzählt, meine Mutter wüsste Bescheid, hier wäre alles in Ordnung und wir würden in Kürze nach Hause fahren. Wann, hat er nie gesagt, aber auf jeden Fall bald. Keiner hat mich bewacht oder eingesperrt.«
Der Detective atmete tief durch. Er hatte zunehmend weniger in der Hand. »Eine letzte Frage noch. Hat dir jemand etwas getan?«
»Mein Vater? Nein. Der lügt vielleicht und ist unzuverlässig und ein schlechter Vater, aber er würde mir nie was tun und mich immer beschützen. Ich habe mich nie bedroht gefühlt. Ich war allein, hatte Angst und wusste nicht, was los ist, aber das ist in Strattenburg auch so.«
»April«, sagte Mrs. Finnemore leise.
Detective Slater erhob sich. »Das ist keine Strafsache. Die Angelegenheit gehört vors Zivilgericht.«
Er ging in die Küche, bedankte sich bei den Boones und verabschiedete sich. Als er weg war, setzten sich April und ihre Mutter zu den Boones an den Küchentisch zu einem herzhaften Frühstück mit Würstchen, Pfannkuchen und Rührei. Nachdem alle ihre Teller vor sich stehen hatten, das Tischgebet gesprochen war und jeder ein oder zwei Bissen genommen hatte, meldete sich Ike zu Wort.
»Slater wollte so schnell wie möglich weg, weil es ihm peinlich ist, dass Theo den Fall in zwei Stunden gelöst hat, während die Polizei vier Tage mit Leeper Spielchen getrieben hat.«
»Wie hast du das geschafft, Theo?«, fragte sein Vater. »Und jetzt will ich die ausführliche Version hören!«
»Raus mit der Sprache«, stimmte seine Mutter ein.
Theo schluckte sein Ei herunter und blickte in die Runde. Alle sahen ihn an. Er lächelte. Zuerst war es nur ein verschmitztes Zucken der Mundwinkel, dann grinste er breit von Ohr zu Ohr, dass die Zahnspange blitzte. April, die ihre Spange bereits los war, ließ sich anstecken und zeigte ihr perfektes Gebiss.
Und dann lachte Theo laut auf.
Detective Slater fuhr direkt ins Gefängnis, wo er sich mit Detective Capshaw traf. Gemeinsam warteten sie in einem kleinen Gesprächsraum, während Jack Leeper aus dem Schlaf gerissen wurde, Handschellen angelegt bekam und in seinem orangefarbenen Overall und den gleichfarbigen Gummibadelatschen durch den Gang geschleift wurde. Zwei Wärter verfrachteten ihn in den Gesprächsraum und setzten ihn auf einen Metallstuhl, ohne ihm die Handschellen abzunehmen.
Leeper war unrasiert und hatte vom Schlaf verquollene Augen. »Guten Morgen«, begrüßte er Slater und Capshaw. »Ihr seid wohl Frühaufsteher.«
»Wo ist das Mädchen, Leeper?«, knurrte Slater.
»So, so, habt ihr es euch doch anders überlegt. Kriege ich jetzt meinen Deal?«
»Na sicher. Wir bieten Ihnen ein ganz tolles Geschäft an, Leeper. Aber erst müssen Sie uns sagen, wie weit entfernt das Mädchen ist. Nur so ungefähr. Fünf Kilometer, fünfzig, fünfhundert?«
Leeper grinste und rieb sich den Bart am Ärmel. »So hundertfünfzig.«
Slater und Capshaw lachten.
»Habe ich was Witziges gesagt?«
»Sie sind ein verlogenes Stück Dreck, Leeper«, erklärte Slater. »Sie lügen wahrscheinlich noch auf dem Sterbebett.«
Capshaw trat vor. »Das Mädchen ist bei seiner Mutter. Anscheinend war die Kleine ein paar Tage mit ihrem Vater unterwegs. Jetzt ist sie wieder zu Hause. Gott sei Dank ist sie Ihnen nie begegnet.«
»Sie wollen einen Handel, Leeper?«, fragte Slater. »Hier ist er: Wir stellen die Ermittlungen gegen Sie ein und schicken Sie postwendend zurück nach Kalifornien. Mit den kalifornischen Behörden haben wir schon gesprochen. Die haben Ihnen ein ganz besonderes Plätzchen reserviert,
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