Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
wegen des Ausbruchsversuchs, meine ich. Höchste Sicherheitsstufe. Sie werden nie wieder das Tageslicht sehen.«
Leeper klappte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus.
»Abführen«, sagte Slater zu den Wärtern. Dann verließen er und Capshaw den Raum.
Um neun Uhr am Sonntagmorgen gab das Polizeipräsidium eine Pressemitteilung heraus. Ihr Wortlaut war folgender:
»Gegen sechs Uhr heute Morgen kehrte April Finnemore nach Strattenburg zurück, wo sie ihrer Mutter übergeben wurde. Sie ist wohlauf, erfreut sich bester Gesundheit und ist in guter Gemütsverfassung. Die Polizei ermittelt weiter in dieser Sache und wird in Kürze den Vater, Tom Finnemore, befragen.«
Die Nachricht wurde sofort in Fernsehen und Radio übertragen und verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet. In Dutzenden von Kirchen wurde die entsprechende Bekanntmachung mit Applaus und Dankgebeten begrüßt.
Die ganze Stadt atmete tief durch, lächelte und dankte Gott für dieses Wunder.
April wusste nichts von all dem. Sie schlief tief und fest im kleinen Gästezimmer der Boones. Nach Hause wollte sie nicht, zumindest noch nicht. Eine Nachbarin hatte May Finnemore angerufen und ihr mitgeteilt, das Haus werde von Reportern belagert. Sie solle besser warten, bis der Mob abgezogen sei. Woods Boone riet ihr, ihr auffälliges Gefährt in der Garage zu parken, damit nicht jeder gleich merkte, wo sich April versteckte.
Theo und Judge schliefen sich oben in ihrem Zimmer gründlich aus.
Zweiundzwanzig
Als die Schüler der Strattenburg Middleschool am Montagmorgen zur Schule gingen, waren sie sehr gespannt. Es würde kein normaler Montag werden. Seit Aprils Verschwinden hatte eine dunkle Wolke über der Schule gehangen. Jetzt nicht mehr. Noch vor wenigen Tagen war April allgemein für tot gehalten worden. Jetzt war sie wieder da. Nicht nur das, einer ihrer Mitschüler hatte sie gerettet. Theos kühner Einsatz in Chapel Hill, durch den er April nach Hause geholt hatte, war schon legendär.
Sie wurden nicht enttäuscht. Noch vor Tagesanbruch hatte sich auf der breiten, geschwungenen Einfahrt zum Eingang der Schule ein halbes Dutzend Übertragungswagen postiert. Es wimmelte nur so von Reportern und Fotografen, die hofften, irgendwas zu Gesicht zu bekommen. Mrs. Gladwell fand das unzumutbar und rief die Polizei. Es kam zur Konfrontation. Böse Worte fielen, es wurde mit Festnahmen gedroht. Schließlich entfernte die Polizei alle Unbefugten vom Schulgelände. Daraufhin wurden die Kameras auf der anderen Straßenseite aufgebaut. Das war noch im Gang, als die Busse eintrafen, sodass die Schüler auch etwas von der Auseinandersetzung mitbekamen.
Um 8.15 Uhr rief die Glocke die Schüler in die Klassenzimmer, aber von Theo und April war nichts zu sehen. In Mr. Mounts Klasse berichtete Chase Whipple über seinen Anteil an der Such- und Rettungsaktion, was auf große Begeisterung stieß. Auf seiner Facebook-Seite hatte Theo eine Kurzversion der Ereignisse veröffentlicht und die Rolle von Chase lobend hervorgehoben.
Um 8.30 Uhr rief Mrs. Gladwell die Achtklässler erneut in die Aula. Diesmal stand die Stimmung der in den Saal strömenden Schüler im krassen Gegensatz zur letzten Versammlung. Alle waren gut gelaunt, lachten, freuten sich auf ein Wiedersehen mit April und wollten das Erlebnis so schnell wie möglich vergessen. Theo und April schlichen sich durch den Hintereingang in die Schule. Mr. Mount wartete in der Cafeteria auf sie und brachte sie in die Aula, wo sie von Mitschülern und Lehrern begeistert begrüßt wurden.
April war nervös und fühlte sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit offensichtlich unbehaglich.
Dagegen genoss Theo den Augenblick in vollen Zügen.
Später am selben Vormittag erschien Marcella Boone am Familiengericht, um einen Antrag auf Bestellung eines vorläufigen gesetzlichen Vormunds für April Finnemore zu stellen. Solch ein Antrag konnte von jedem gestellt werden, der sich um die Sicherheit und das Wohlergehen eines Kindes sorgte. Es war nicht erforderlich, das Kind oder die Eltern zum Zeitpunkt der Antragstellung davon zu unterrichten, aber ein vorläufiger Vormund wurde vom Gericht nur bestellt, wenn es von der Notwendigkeit überzeugt war.
Der Richter war ein massiger alter Mann mit weißem Lockenkopf, weißem Bart und runden, rosigen Bäckchen. Sein Familienname war Jolly, aber anders als der Name vermuten ließ, war der Richter keineswegs besonders lustig. Im Gegenteil, er galt als besonders fromm und streng.
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