Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
gemütlich machen.« Damit verschwand Richter Gantry durch die Tür hinter seinem Richtertisch.
Einen Augenblick lang herrschte im Zuschauerraum ungläubiges Schweigen. Keiner rührte sich, als müsste Pete Duffy doch noch jeden Augenblick hereinkommen. Dann war hie und da ein Flüstern zu vernehmen, ein paar leise Worte folgten, bis schließlich Bewegung in die Menge kam. Verschiedene Zuschauer standen auf und gingen im Saal umher. Allerdings verließ keiner den Raum, weil niemand riskieren wollte, nicht mehr eingelassen zu werden. Sicher würde Pete Duffy gleich eintreffen, sich für die Verspätung mit dem Hinweis auf eine Reifenpanne oder einen ähnlichen Vorfall entschuldigen, und die Verhandlung würde ihren Gang gehen.
Zehn Minuten verstrichen. Staatsanwälte und Verteidiger trafen sich auf halbem Weg und begannen in gedämpftem Ton ein Gespräch. Jack Hogan und Clifford Nance steckten die Köpfe zusammen und runzelten besorgt die Stirn.
» Was meinst du, Ike?«, fragte Theo leise.
» Sieht aus, als hätte er sich abgesetzt.«
» Was bedeutet das?«
» Eine ganze Menge. Duffy hat seine Kaution mit einer Immobilie gesichert, um sein Erscheinen vor Gericht zu gewährleisten. Die ist auf jeden Fall weg. Wenn er tatsächlich untergetaucht ist, kann ihm das allerdings ziemlich egal sein, weil er für den Rest seines Lebens auf der Flucht sein wird– bis sie ihn erwischen.«
» Werden sie ihn denn erwischen?«
» Wahrscheinlich schon. Sein Gesicht wird überall zu sehen sein– im Internet und auf Fahndungsplakaten, die in den Postämtern und in jeder Polizeistation im Land aushängen. Mit großer Wahrscheinlichkeit finden sie ihn, aber es gibt eine Reihe berühmter Fälle, in denen die Flüchtigen nie gefasst wurden. Normalerweise gehen solche Leute außer Landes, nach Südamerika oder so. Wundert mich echt, dass Pete Duffy schlau genug dafür ist.«
» Schlau?«
» Überleg doch mal, Theo. Der Mann hat seine Frau ermordet. Zu seinem Glück wurde das erste Verfahren für fehlerhaft erklärt. Nochmal wird das nicht passieren, das weiß er, also droht ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe. Da würde ich mich auch lieber absetzen. Wahrscheinlich hat er irgendwo Geld versteckt. Er besorgt sich neue Papiere, einen neuen Namen, vielleicht hat er einen Komplizen, der ihm hilft. So wie ich Duffy kenne, ist bestimmt eine junge Frau im Spiel. Gar nicht so dumm, wenn du mich fragst.«
Ike ließ die Sache wie ein spannendes Abenteuer klingen, aber Theo hatte so seine Zweifel. Während sich der Stundenzeiger der zehn näherte, starrte er auf den leeren Stuhl des Angeklagten und wollte einfach nicht glauben, dass Pete Duffy die Kaution hatte verfallen lassen, um nun den Rest seines Lebens auf der Flucht zu sein.
Omar Cheepe und Paco tauchten wieder auf und besprachen sich mit Clifford Nance. Dem Kopfschütteln, dem eindringlichen Flüstern und den besorgten Blicken nach zu urteilen, hatte sich die Lage nicht verbessert. Pete Duffy war und blieb verschwunden.
Ein Gerichtsdiener rief Verteidiger und Staatsanwälte zusammen und geleitete sie zu einer weiteren Besprechung ins Richterzimmer. An den Geschworenenbänken standen Polizeibeamte herum und erzählten sich Witze. Im Saal wurde es immer lauter, weil die enttäuschte Menge zunehmend unruhig wurde.
» Das wird mir zu langweilig, Theo«, erklärte Ike. Ein paar Zuschauer hatten den Saal bereits verlassen.
» Ich bleibe noch«, erwiderte Theo, der keinen Wert darauf legte, mit leeren Händen in die Schule zurückzukehren und sich durch den Unterricht zu quälen. Die Befreiung galt ausdrücklich bis dreizehn Uhr, und das wollte Theo nutzen, Verhandlung hin oder her.
» Kommst du heute Nachmittag vorbei?«, fragte Ike. Es war Montag, und die Boone’sche Familientradition verlangte, dass Theo Ike jeden Montagnachmittag in seinem Büro besuchte.
» Logisch«, sagte Theo.
Ike lächelte. » Dann bis später.«
Nachdem er gegangen war, wog Theo Vor- und Nachteile der Situation ab. Er war enttäuscht, dass der größte Strafprozess in der jüngeren Geschichte von Strattenburg nun auf Eis lag und er sich das Kräftemessen zwischen Jack Hogan und Clifford Nance entgehen lassen musste. Andererseits war er erleichtert, dass Bobby Escobar nicht gezwungen sein würde, auszusagen und Pete Duffy zu identifizieren. Theo hatte wesentlich dazu beigetragen, dass Richter Gantry im ersten Prozess überhaupt von Bobbys Existenz erfuhr. Ihm war bewusst, dass Duffys Anwälte und
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