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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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Ewigkeitsperspektive jetzt gebrochen. An den Bushaltestellen sich drängende Menschen: einfach angezogen, in grauer anonymer Kleidung; Windjacken, Gabardinehosen. In regelmäßigen Abständen treffen Busse ein. Das Licht noch immer sotief, dass es horizontal durch die Scheiben schneidet und jeden Einblick verwehrt; Abgaswolken, die quecksilbergleich aufquellen und in der heißen Luft verdunsten. Die Busse stoppen an den Haltestellen, die sich in Minutenschnelle leeren. Dann strömen neue Wartende herzu.
    Die Busse bewegen sich langsam vorwärts, Viertel um Viertel. Die Bebauung wird dichter. Hohe, rußgeschwärzte Fassaden; eine Eisenbahnbrücke (darauf eine Lok, die langsam eine Reihe Güterwagen zieht). In den Bussen stehen die Menschen Rücken an Rücken. Irgendwoher, nicht unbedingt aus dem Bus, ertönt Musik. Eine antiquierte Stimme lässt eine alte Melodie erklingen:
    Wenn der Herrgott will,
    dann ist ewig Frieden,
    und Dein Paradies
    ist uns dann beschieden
    Die gefalteten Titelseiten der Zeitungen, erhoben in verschiedenen Winkeln zu Körpern oder Rückenlehnen. Die Busse setzen ihre Last ab. Dichter, massiver Verkehr. Aus den Gaststätten Stimmengewirr. Drei Männer lehnen an einem langen zinkbeschlagenen Tresen, im Zwielicht gefangen. Eine Frau sitzt auf einem einfachen Holzschemel tiefer drinnen im Lokal, fast völlig im Dunkeln: nur das Weiße ihrer Augen blitzt auf, als ein Lichtreflex hereinfällt.
    Die haben sie vergiftet
    Mit derselben Methode, wie die Nazis sie benutzt haben
    Wie, mit Bomben oder was
    Hast du noch nichts von diesem Zyklongas gehört, was man in die
    Zellen spritzt
    nichts zu hören, nichts zu sehen
    in einer Minute ist alles vorbei
    Die Frau sagt nichts; lächelt nur unbestimmt, dort im Dunkeln.
    Ihre Familie war wohl von hier
    Wie, aus Jena?
    Ihr Vater war wohl ’ne Art Museumsangestellter,
    irgend so was

Versuch einer
Zusammenfassung
    (Aus den Dokumenten)

    Zehn Jahre geht die Hetzjagd auf die Terroristen; zehn Jahre nächtlicher Zusammenkünfte in gut bewachten Bunkern; ständige Personenkontrollen an den Ausfahrten der Autobahnen, auf Flughäfen, Fährterminals. Hausdurchsuchungen, Verhöre, dramatische Festnahmen, erzwungene Geständnisse, spektakuläre Freilassungen. Die im Untergrund lebenden kriminellen Elemente will man um jeden Preis an die Oberfläche treiben. Und als Zeichen dafür, dass genau das in Kürze zu erwarten ist, starren die Gesichter der Gesuchten überall in der Bundesrepublik von Plakaten und Titelseiten. Schlagzeilen skandieren Schrecken, apokalyptische Szenarien lösen einander ab; selbst die normalerweise so ungerührten Fernsehnachrichtensprecher haben etwas Angeschlagenes im Blick, wenn sie die Zuschauer von den letzten Eilmeldungen in Kenntnis setzen. Doch brennende Kaufhäuser, Sprengstoffattentate auf US-Militärhauptquartiere oder deutsche Verlagshochhäuser: Wen kümmert das schon? Auf der Autobahn rollt der Wochenendverkehr wie gewöhnlich, vielleicht ein wenig schleppender an bestimmten Abfahrten; und wenn es um die Leiche in einem Kofferraum geht (das geronnene Blut lässt sich in den Rasterpunkten des Zeitungsdrucks nicht erkennen): Sex, Drogen und Tod sind ohnehin Massenware in dieser Zeit der medialen Verzückung. Und wer kann übrigens ein zerschossenes Gesicht von einem anderen unterscheiden, und selbst wenn das möglich wäre: Was bedeutet ein solcher Identifikationsakt schon, wenn der Tod nicht mehr auslöst als ein paar sachte Peniszuckungen beim Nachmittagskaffee? Obendrein nimmt sich Kojak unvergleichlich viel wirklicher aus, wenn er, die Pistole auf charakteristische Weise mit beiden Händen umfasst, zu seinen lauernden Gegnern herumwirbelt, die im Übrigen die Kunst beherrschen, mit Würde zu sterben: Sie fallen wie Tom und Jerry und kehren nicht in neuer Gestalt zurück.
    Diese gewaltige Vergeudung von Zeit; leere Zeit, totgeschlagene Stunden: Gib mir einen Kontext, in dem ich mit der Kraft meines ganzen Ichs wirken kann. Zu dem abgefackelten, nunmehr restaurierten Warenhaustempel im Herzen Frankfurts verläuft der Kundenstrom konstant: Alle träumen wir von einem Gegenstand, einem einzigen, der uns, in seinen richtigen Zusammenhang gestellt, den Traum von der verlorenen Ganzheit zurückgeben kann.
    *
    Ein Zeuge hat von der »seelenlosen Mechanik« der Terrorattacken der RAF gesprochen, gerichtet auf das Herz der westdeutschen Gesellschaft. Manifeste; Kampfparolen, kalt wie Neonröhren oder Kühlschrankaggregate. Das Fehlen von

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