Throne of Glass – Die Erwählte
sollte.
Nachdem Chaol Fleetfoot liebevoll den Kopf getätschelt hatte, trottete die Hündin wieder unter den Tisch, drehte sich zweimal im Kreis und rollte sich zusammen.
Warum blieb er an der Tür stehen? Celaena sah an ihrem Nachthemd herunter und errötete, als sie merkte, dass er auf ihre nackten Beine starrte.
»Was machen Eure Verletzungen?«, fragte er. Seine Stimme war sanft. Sie merkte, dass er gar nicht auf ihre nackte Haut achtete, sondern auf den Verband um ihren Oberschenkel.
»Mir geht’s gut«, sagte sie schnell. »Den Verband trage ich nur noch, um Mitleid zu erregen.« Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht. »Ich – ich habe Euch eine ganze Woche nicht gesehen.« Es hatte sich wie ein ganzes Leben angefühlt. »Habt Ihr … Bei Euch alles in Ordnung?«
Seine braunen Augen blickten in ihre. Plötzlich war sie wieder beim Zweikampf, sie lag am Boden, Cain lachte hinter ihr, aber sie sah und hörte nur Chaol, der niederkniete und die Hand nach ihr ausstreckte. Ihre Kehle wurde eng. In jenem Augenblick hatte sieirgendetwas begriffen, an das sie sich jetzt nicht mehr erinnerte. Vielleicht war das auch nur eine Halluzination gewesen.
»Alles gut«, sagte er und sie machte einen Schritt auf ihn zu. Sie war sich nur allzu sehr bewusst, wie kurz ihr Nachthemd war. »Ich wollte … mich entschuldigen, dass ich nicht früher nach Euch gesehen habe.«
Dicht vor ihm blieb sie stehen und legte den Kopf schief. Er trug kein Schwert. »Sicher hattet Ihr viel zu tun«, sagte sie.
Er stand einfach da. Sie schluckte und schob sich eine Strähne ihres offenen Haares hinters Ohr. Sie ging noch einen Schritt auf ihn zu. Nun musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Seine Augen sahen so traurig aus. Sie biss sich auf die Lippe. »Ihr – Ihr habt mir das Leben gerettet, oder? Zwei Mal.«
Chaols Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. »Ich habe getan, was ich tun musste.«
»Und dafür schulde ich Euch Dank.«
»Ihr schuldet mir gar nichts«, sagte er mit gepresster Stimme. Und als sein Blick flackerte, krampfte sich ihr Herz zusammen.
Sie griff nach seiner Hand, aber er zog sie zurück. »Ich wollte nur sehen, wie es Euch geht. Ich muss zu einer Versammlung«, sagte er, aber sie wusste, dass er log.
»Danke, dass Ihr Cain getötet habt.« Er erstarrte. »Ich – ich weiß noch genau, wie ich mich nach meinem ersten Toten gefühlt habe. Es war nicht leicht.«
Er ließ den Blick zum Boden sinken. »Deshalb muss ich die ganze Zeit daran denken. Weil es so leicht war. Ich habe einfach das Schwert gezogen und ihn getötet. Ich wollte ihn töten.« Er fixierte sie mit dem Blick. »Er wusste, was mit Euren Eltern passiert ist. Woher?«
»Keine Ahnung«, log sie. Sie wusste es sehr wohl. Cains Zugang zu den Anderswelten, zu den Zwischenreichen oder wie auch immer man diesen ganzen Unsinn bezeichnen wollte, hatte ihm dieFähigkeit verliehen, ihre Gedanken, ihre Erinnerungen, ihre Seele zu sehen. Und vielleicht noch mehr als das. Ein Schauder überlief sie.
Chaols Gesicht wurde weicher. »Es tut mir leid, dass sie auf diese Weise gestorben sind.«
Alles in Celaena verschloss sich, bis auf ihre Stimme, mit der sie sagte: »Das ist sehr lange her. Es hatte geregnet, und als ich zu ihnen ins Bett kletterte, dachte ich, ihr Bett wäre wegen des offenen Fensters so feucht. Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht und merkte, dass es kein Regen war.« Sie holte scharf Luft, um das Gefühl von Blut auf ihrer Haut auszulöschen. »Kurz danach hat Arobynn Hamel mich gefunden.«
»Es tut mir trotzdem leid«, sagte er.
»Das ist sehr lange her«, sagte sie noch einmal. »Ich weiß nicht einmal mehr, wie sie aussahen.« Noch eine Lüge. Sie erinnerte sich in allen Einzelheiten an die Gesichter ihrer Eltern. »Manchmal vergesse ich, dass es sie überhaupt gegeben hat.«
Er nickte, mehr um zu bestätigen, dass er ihre Worte gehört, als dass er sie verstanden hatte.
»Was Ihr für mich getan habt, Chaol«, begann sie wieder. »Gar nicht mal das mit Cain, sondern als Ihr …«
»Ich muss gehen«, unterbrach er und wandte sich halb von ihr ab.
»Chaol.« Sie griff nach seiner Hand und drehte ihn zu sich um. Sie sah nur das gequälte Flackern in seinen Augen, bevor sie ihm die Arme um den Hals warf und ihn festhielt. Er versteifte sich, aber obwohl es ihr Schmerzen bereitete, presste sie ihren Körper an seinen. Nach einem Augenblick legte er ebenfalls die Arme um sie und drückte
Weitere Kostenlose Bücher